Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
Ratzeburger Allee gefahren und angeboten, mit ihm zu warten, doch er hatte sie nach Hause geschickt.
»Du rufst mich aber heute noch an, ja? Ich will wissen, wie es Astrid geht«, hatte sie ihn gebeten. »Und wenn ich irgendwas für euch tun kann, sag es mir.«
Er hatte sich sehr über ihr Hilfsangebot gefreut. Ihr Interesse an Astrids Wohlergehen schien wirklich ehrlich und entsprach dem ihr eigenen Mitgefühl für andere. Aber es war ihm irgendwie unpassend vorgekommen, ausgerechnet mit Derya hier im Krankenhausflur zu sitzen. AuÃerdem brauchte er Zeit für sich allein, um seine Gedanken zu ordnen.
Klar, dass man ihn als Ersten von Astrids Unfall benachrichtigt hatte und dass ihm nun Entscheidungen abgefordert wurden, die medizinische Behandlung betreffend. Sie waren immer noch verheiratet. Keiner von ihnen hatte bisher das Thema Scheidung angesprochen. Abgesehen davon gehörte Astrid ohnehin weiter zu seinem Leben, genau wie die Kinder. Hätte er Astrid nicht kennengelernt, wäre er wahrscheinlich niemals hier in Lübeck hängen geblieben. Nicht mehr zusammenwohnen zu wollen oder zu können, hieà ja nicht, dass der andere einem plötzlich völlig egal war. Eine gemeinsame Geschichte von fast 17 Jahren lieà sich nicht einfach so auslöschen.
Sein Mund war vollkommen trocken. Angermüller holte sich noch ein Mineralwasser aus dem Automaten. Musste er heute Abend schon jemanden über Astrids Unfall informieren? Seine Schwiegereltern wollte er nicht so spät mit schlechten Nachrichten schrecken. Heini war 82, er hielt sich wacker, doch sein Bluthochdruck und immer wiederkehrende Herzrhythmusstörungen machten ihm zu schaffen, und Schwiegermutter Johanna war mit der Sorge um ihn mehr als ausgelastet. Astrids Schwestern waren ohnehin eher die falsche Adresse. Sie würden nur einen mächtigen Wirbel veranstalten, aber keineswegs eine Hilfe sein. AuÃerdem sollte er erst einmal abwarten, was die Ãrzte sagten. Georg entschied sich dagegen, jemanden anzurufen. Auch Martin würde er erst morgen früh Bescheid geben.
»Herr Angermüller?«
»Ja!«
Er sprang auf und spürte, wie Angst und Hoffnung gleichzeitig auf ihn einstürmten.
»Sie können jetzt Ihre Frau sehen. Kommen Sie bitte mit.«
Kapitel III
»Na endlich bist du auch ma wieder da!«
Claus Jansens überschwängliche BegrüÃung zeigte deutlich, wie sehr er seinen Kollegen vermisst hatte.
»Was soll das denn heiÃen? Ich hatte doch gerade mal zwei Tage Urlaub plus das Wochenende.«
Angermüller schüttelte den Kopf.
»Blödsinn! Urlaub! Jetzt sag ich das schon selbst! Natürlich hatte ich keinen Urlaub, sondern ich hab Ãberstunden abgebummelt.«
»Weià ich ja. Aber gut, dass du wieder da bist. Das Verbrechen schläft nich, wie du weiÃt.«
»Gibtâs etwa was Neues?«
»Jou. Gestern lag eine Person auf den Bahngleisen zwischen Reinfeld und Lübeck.«
»Tot, nehm ich an.«
»Ziemlich.«
»Die war genau der Grund, dass unser Zug über zwei Stunden Verspätung hatte auf der Heimfahrt.«
»Ach, ausgerechnet in dem Zug hast du gesessen? Und du bist nich gleich ma ausgestiegen und hast die Kollegen unterstützt?«
»Ich hab Ameise drauÃen rumlaufen sehen, das hat mir gelangt«, entgegnete Angermüller. »Da der Personenschaden jetzt bei uns gelandet ist, heiÃt das also Fremdverschulden?«
»So isses.«
Jansen nahm den Bericht der Kriminaltechnik zur Hand.
»Ameise, der alte Schlaumeier, hat sofort festgestellt, dass die Ãberreste, die dort ârumlagen, viel zu unblutig für den Aufprall eines lebenden Körpers mit dem Zug waren. Auch die Art der Totenflecke, die auf den gefundenen Körperteilen auszumachen waren â Stichwort zweites Totenflecksystem â spricht dafür, dass die Person schon mindestens sechs Stunden nicht mehr unter den Lebenden war, bevor sie auf die Gleise gelegt wurde.«
»Wie siehtâs aus mit der Identifizierbarkeit?«
»Der Körper war quer zum Zug auf den Bahndamm verbracht worden. Da es in einer Kurve war, hatte der Lokführer erst spät bremsen können. Der Kopf des Opfers lag auf den Schienen und wurde von den Rädern teilweise überrollt, teilweise weggedrängt, und die eine Gesichtsseite ist ⦠na ja.«
Jansens Miene sprach Bände.
»Am Rumpf finden sich starke
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