Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
Richtung Fahrstuhl.
»Danke, Ihnen auch viel Spaà beim Kaffeetrinken!«
»Papa, ist die Frau sauer auf dich? Die war zum Schluss so komisch irgendwie«, wollte Julia wissen, die genau wie ihre Schwester die Begegnung auf dem Flur neugierig verfolgt hatte.
»Glaub ich nicht«, meinte Angermüller leichthin, dem natürlich klar war, dass sie verstimmt sein musste, nachdem sie sich gestern bei ihm so über die Schwartauer Kollegen beklagt hatte. Doch er hatte keine Notwendigkeit gesehen, sich als Polizist zu erkennen zu geben oder gar in Schwartauer Angelegenheiten einzugreifen.
»So, dann fahr ich euch beide jetzt nach Hause. Ich bin heute Abend noch zu einem dienstlichen Essen eingeladen und komm etwas später. Falls irgendwas ist, ihr habt ja meine Handynummer.«
Judith verdrehte die Augen.
»Papa, wir sind schon öfter mal abends allein gewesen.«
»Und was machen wir mit eurem Abendessen?«
Die Mädchen sahen sich an.
»Ich weiÃ, wir machen uns Milchreis mit Kirschen und Vanilleeis!«, strahlte Judith nach kurzer Ãberlegung.
»Au ja, lecker!«
Anja-Lena wies ihnen den Weg zum Teeladen von Herrn Guo. Mitten in Reinfeld lag das kleine Geschäft, zwischen einer Apotheke und einer Bäckerei. Die Auslage im Schaufenster war ein buntes Sammelsurium, ohne Anspruch auf ein ästhetisches Gesamtbild. Jemand schien den Ehrgeiz zu haben, auf kleinstem Raum das komplette Sortiment des Geschäftes abbilden zu wollen, von zig Teesorten über Kannen, TrinkgefäÃe und anderes Zubehör bis zu SeidenÂshirts und -blusen, kunsthandwerkliche Gegenstände wie bemalte Fächer, fein geschwungene Kalligrafien und vergoldete Buddha- und Drachenfiguren. Auch ein paar dieser hässlichen Winkekatzen, ursprünglich japanische Glücksbringer, inzwischen âºmade in Chinaâ¹, standen dazwischen herum. Ein Schild im Fenster wies den Laden als Spezialhandlung für Grünen und Oolong Tee aus.
Drinnen war es nicht sehr hell und roch intensiv nach aromatisiertem Tee und Mottenkugeln. Angermüller fragte sich, wonach wohl die Tees schmeckten, die man hier kaufen sollte. In einer abgetrennten Kammer im Hintergrund, deren Tür offen stand, erhob sich eine Frau von ihrem Stuhl.
»Ach, die Polizei schon. Das ging ja schnell«, stellte sie beim Anblick der Beamten statt einer BegrüÃung fest.
»Einen Sitzplatz kann ich Ihnen allen leider nicht anbieten, ich hab nur den einen Stuhl im Büro. Aber es wird ja nicht lange dauern.«
Sie warf einen fragenden Blick zu Anja-Lena.
»Das kommt ganz darauf an, was Sie uns alles erzählen wollen. Sie sind Frau Guo, nehme ich an?«, ergriff Angermüller das Wort.
»Heidi Knaake-Guo. Und wer sind Sie?«
Die kleine Frau mit dem breiten, etwas grob geschnittenen Gesicht lieà sich von dem geballten Kriminaleraufgebot nicht im Geringsten beeindrucken. Ihr Alter konnte Angermüller schwer einschätzen. Sie konnte Mitte 30 oder Mitte 50 sein. In dem schwachen Licht jedenfalls erschien ihre Haut faltenlos, und den dunklen Pagenkopf durchzog keine silberne Strähne.
»Kriminalhauptkommissar Angermüller, mein Kollege Kommissar Jansen. Frau Kruse kennen Sie ja schon. Also, Sie haben uns angerufen, Frau Knaake-Guo. Sie haben die Person auf den Fotos erkannt, die Ihnen meine Kollegin gestern gezeigt hat? Hier, schaun Sie bitte noch mal.«
Er hielt ihr die Bilder des Opfers hin.
»Ich glaube, sie erkannt zu haben«, korrigierte die Zeugin, sah nur flüchtig auf das Foto und reichte es an Angermüller zurück. In der hellen Stehkragenbluse, der schwarzen Hose und den ebenfalls schwarzen Riemchenballerinas aus Samt sah sie genauso aus, wie man sich hierzulande immer noch eine typische Chinesin vorstellte.
»Gut. Wen also glauben Sie erkannt zu haben?«
»Einen Geschäftspartner meines Mannes.«
Jansen konnte nicht stillhalten. Er bewegte sich fortwährend durch den engen Laden, inspizierte neugierig die Regale, nahm Dinge heraus, stellte sie zurück, wahrscheinlich nur, um sich abzulenken, weil ihm mal wieder alles zu langsam ging. Besonders angetan hatte es ihm ein kleiner, lächelnder Buddha mit Solarbetrieb, der ständig mit dem Kopf nickte und über seinem dicken Bauch emsig einen Fächer schwang.
»Woran haben Sie ihn denn erkannt?«
»Ja, wie? An seinem Gesicht natürlich.«
»Und wie heiÃt der Geschäftspartner?«,
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