Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
nichts von Substanz übrig geblieben. Da war die Nähe zu Reinfeld, die Visitenkarte der Schwartauer Bank und die chinesische Notiz auf der Rückseite über das âºkleine Hausâ¹. Und Anja-Lenas Bauchgefühl, die Frau des Teeladenbesitzers aus Reinfeld betreffend. Ansonsten aber nach wie vor keinerlei Hinweise auf die Identität des Toten vom Bahndamm.
Am frühen Nachmittag schwang sich Angermüller aufs Fahrrad, machte einen kleinen Umweg über die HüxstraÃe, wo er sich in einem Fischfeinkostladen geräucherten Heilbutt auf ein knuspriges Brötchen legen lieÃ. Dann fuhr er zu seinem früheren Domizil in der Nähe der Wakenitz. Hier verzehrte er seinen köstlichen Mittagsimbiss und tauschte das Fahrrad gegen den Volvo, um die Zwillinge von ihrer Schule für den Besuch bei Astrid abzuholen.
Astrids Anblick glich dem vom Vortag, nur dass sie vielleicht noch mehr Kabel am Kopf umgaben. Ein dicker Schlauch führte aus ihrem Mund, und an der Hand blinkte ein Fühler zur Sauerstoffmessung im Blut. Das Beatmungsgerät hob und senkte ihren Brustkorb in gleichmäÃigem Rhythmus. Sie schien tief und ruhig zu schlafen, ganz weit weg zu sein. Zum Glück lieÃen sich Julia und Judith nicht von dem wenig ansprechenden Ambiente beeindrucken, erzählten abwechselnd drauf los, streichelten die Hand ihrer Mutter und benahmen sich fast so normal wie immer. Doch Angermüller spürte sehr wohl ihre Irritation und dass die beiden einige Anstrengung aufwendeten, sich nichts anmerken zu lassen. Tapfere Mädchen, seine Töchter! Nach einer guten halben Stunde signalisierte ihnen die Krankenschwester, dass es genug wäre für heute, und sie verabschiedeten sich von Astrid mit dem Versprechen, am nächsten Tag wieder zu kommen.
Auf dem Flur kamen ihnen die beiden Frauen von gestern entgegen, und Angermüller grüÃte freundlich.
»Wie geht es Ihrer Frau?«, fragte die Ãltere, die den Rollstuhl ihrer Freundin schob.
»Den Umständen entsprechend wohl ganz gut. Die Ãrztin sagte mir vorhin, man sei zufrieden mit ihr.«
Julia und Judith hörten aufmerksam zu.
»Das ist doch schon mal was. Ich habe damals bei Sophie länger auf solche ermutigenden Auskünfte warten müssen. Ich drücke Ihnen jedenfalls die Daumen, dass es weiter aufwärtsgeht.«
»Und bei Ihnen alles in Ordnung?«
»Ja, irgendwie schon«, entgegnete die blonde Frau achselzuckend und sah dabei resigniert auf ihre Freundin. So ganz ehrlich erschien Angermüller die Antwort nicht.
»Wir holen uns jetzt noch irgendwo leckeren Kuchen und dann fahren wir nach Grootmühlen und trinken Kaffee im Garten, nicht Sophie?«
Die junge Frau mit den kurzen dunklen Haaren, die im Rollstuhl saÃ, nickte.
»Das schöne Wetter müssen wir ja ausnutzen.«
Bereits zum dritten Mal spürte Angermüller sein Diensthandy in der Hosentasche vibrieren und wandte sich entschuldigend von seiner Gesprächspartnerin ab. Im Krankenzimmer hatte er nicht telefonieren wollen, wahrscheinlich war es ohnehin hier im Klinikum verboten. Doch jetzt nahm er den Anruf an. Es war Anja-Lena, die ihn schon mehrfach zu erreichen versucht hatte, und deshalb bestimmt wichtig.
»Chef, die Frau aus Reinfeld hat sich bei uns gemeldet«, Anja-Lenas Stimme vibrierte vor Aufregung und wahrscheinlich auch ein bisschen vor Stolz, »und sie glaubt, unser Toter ist ein Geschäftspartner ihres Mannes.«
»Prima, Anja-Lena, da hast du ja die richtige Nase gehabt. Machen wir die Vernehmung in Reinfeld, oder kommt sie zu uns?«
»Es wäre ihr lieber in Reinfeld.«
»Okay, ich bring noch meine Töchter nach Hause und fahr dann mit Jansen hin. Vielleicht ist es ganz gut, wenn du auch mitkommst, weil die Zeugin dich schon kennt.«
Als er sein Telefon wieder einsteckte, wandte sich die Frau, die den Rollstuhl schob, an ihn.
»Entschuldigung, ich hätte mal eine Frage an Sie.«
»Kein Problem, fragen Sie mich einfach.«
Er ahnte schon, was sie wissen wollte, und es war ihm ein bisschen unangenehm.
»Haben Sie vielleicht beruflich irgendwas mit der Polizei zu tun?«
»Ja, ich bin bei der Kripo in Lübeck.«
»Ach, das ist ja interessant«, erwiderte sie überrascht und warf Angermüller einen wenig freundlichen Blick zu. »Na dann einen schönen Tag noch.«
Sie drehte abrupt den Rollstuhl und ging mit ihrer Freundin in
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