Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
beordert worden war. Es war wohl niemand anders frei oder erreichbar gewesen.
»Wer weiÃ, wozu es gut ist, Claus«, hatte Angermüller nur kommentiert, was dem Kollegen kein echter Trost war. Er selbst fügte sich einfach in die Situation, so unangenehm es auch sein mochte, mitten in der Nacht zu einem Tatort auszurücken. Mit Beginn der Ermittlungsarbeit wurde er wach, die Konzentration stellte sich ein und die verlorene Nachtruhe war vergessen.
Was Marlene Deicke auf seine Frage nach Dingen, die ihr vielleicht heute aufgefallen waren, aufzählte, hatte auch den Kriminalhauptkommissar in Erstaunen versetzt. Immer wieder hatte sie dabei in einem Anflug von Panik gemutmaÃt, dass rechte Gewalttäter hinter all dem stecken könnten. Der in dem Auto gestorbene Journalist hätte ihr am selben Abend, also kurz vor seinem Tod, bestätigt, dass eine derartige Szene hier ziemlich aktiv wäre. Auch für Angermüller war diese Ãberlegung durchaus plausibel.
Die Geschichte mit dem verschwundenen Benzinkanister konnte zusätzlich in diese Richtung weisen und mit ihrem Fall in Zusammenhang stehen. Vor Ort hatte die Kriminaltechnik bereits festgestellt, dass ein Brandbeschleuniger benutzt worden war, den jemand teils pur, teils in Form von damit getränkten Lumpen rund um und über den Wagen verteilt hatte. AuÃerdem hatten sich Reste verbrannten schwarzen Plastiks auf dem Wrack gefunden, was noch nichts heiÃen musste, denn schwarze Kanister gab es sicherlich häufiger. Trotzdem ein Ansatzpunkt, dachte Angermüller.
In jedem Fall war es ein unglaublich heimtückisches Verbrechen, mit dem sie es hier zu tun hatten. Der Insasse des Autos, dafür sprachen zwei leere Flaschen Korn, die sich im FuÃraum gefunden hatten, schien mehr als volltrunken gewesen zu sein. Die Untersuchung zur Blutalkoholbestimmung lief bereits, und sie würden das Ergebnis am nächsten Tag erhalten. Der nächste Tag ist allerdings heute, ging es Angermüller bei einem Blick auf die Uhr durch den Kopf. Die Zeiger näherten sich halb drei.
Jemand hatte also den dreitürigen Wagen in Brand gesetzt und die Fahrertür mit starken Ãsten so blockiert, dass sie sich nicht von innen öffnen lassen konnte. Der Innenraum des Fahrzeugs war mit dem Hab und Gut des Opfers teils bis zur Decke voll gestapelt, so auch der Beifahrersitz, sodass auch zu dieser Seite kein Entkommen war. Der oder die Täter waren mit menschenverachtender Kaltblütigkeit vorgegangen. Der Mann im Auto hatte keine Chance gehabt. Wenigstens hatte er wahrscheinlich nicht leiden müssen. Sollten die beiden geleerten Schnapsflaschen tatsächlich allein auf sein Konto gehen, musste er sich in einem Zustand nahe der Bewusstlosigkeit befunden haben. Höchstwahrscheinlich war er in seinem Rausch einer Kohlenmonoxidvergiftung erlegen, bevor er das Feuer überhaupt bemerkt hatte, wie Ameise aufgrund der krebsroten Totenflecken sogleich gemutmaÃt hatte.
Wer macht so was, hatte die Zeugin gefragt? Genau das würden sie herausfinden, schwor sich der Kriminalhauptkommissar, während sie über die leere A1 flogen. Was für ein Motiv steckte hinter dieser niederträchtigen Tat? Wer konnte ein Interesse daran haben, eine bereits gescheiterte Existenz wie diesen Wally gänzlich zu zerstören?
Ganz zum Schluss hatte die Zeugin noch kurz erwähnt, dass sie drüben beim Restaurant heute einen weiteren ehemaligen Mitschüler gesehen zu haben glaubte. Sie war sich nicht sicher, ob es wirklich Tao gewesen war, mit dem die letzte Begegnung über 20 Jahre zurücklag. Er war der Sohn des dementen alten Mannes, wie sich herausstellte, von dem die Kellnerin gesagt hatte, dass er höchstens zweimal im Jahr auftauche.
Eine seltsame Gleichzeitigkeit, ging es dem Kommissar durch den Kopf, seltsam wie so manches, das der heutige Tag gebracht hatte. Ob es einfach nur ein Zufall war, dass in Grootmühlen ein Mensch in seinem Auto verbrannte? Ausgerechnet in Grootmühlen, diesem Kaff, von dem der Kommissar bis vor Kurzem noch nie gehört hatte, und das jetzt plötzlich in zwei Ermittlungsverfahren eine Rolle spielte? Manchmal schien das Leben voller merkwürdiger Parallelen zu sein.
Und es gab darüber hinaus ja noch eine weitere Begebenheit in Grootmühlen, welche die Polizei bereits beschäftigte, wie Angermüller einfiel: die durchgeschnittenen Bremsschläuche von Marlene Deickes Auto.
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