Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
Körperhöhlen beugte und von Steffen einen rügenden Blick erntete. Nicht, dass Steffen humorlos gewesen wäre, aber Scherze auf Kosten seiner Patienten, wie er die Toten auf dem Tisch nannte, widersprachen einfach seiner Berufsethik.
Neue Erkenntnisse durch die Obduktion gab es erwartungsgemäà nicht. Die Beine des Opfers waren vom Feuer etwas in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Kohlenmonoxid-Hämoglobinbestimmung im Labor bestätigte Ameises Annahme, dass der Mann an einer CO2-Intoxikation gestorben war â mit 4,1 Promille Alkohol im Blut.
»Für viele Menschen wäre bereits diese Alkoholdosis tödlich gewesen. Auf jeden Fall wird sich der Mann in tiefer Bewusstlosigkeit befunden haben, als er erstickte«, resümierte Steffen.
Schon nach einer knappen Stunde konnten Angermüller und Jansen den Sektionssaal wieder verlassen.
»War ein völlig überflüssiger Termin«, knurrte Jansen, »und das auf nüchternen Magen.«
Das war die Art des Kollegen, mit seinem eigenen Missbehagen über diesen wenig angenehmen Ort umzugehen. Heute hatte er damit gar nicht so unrecht, dachte Angermüller, doch die Teilnahme an Obduktionen gehörte nun mal zu ihren Pflichten.
Im Büro angekommen, braute Jansen eine Kanne des starken, schwarzen Bitterstoffs, den er für Kaffee hielt, und verzehrte aus einer fettigen Bäckertüte drei Franzbrötchen dazu, die er auf dem Weg zur PossehlstraÃe besorgt hatte. Nebenbei klickte er sich durch die eingegangenen Nachrichten auf seinem PC.
»Ach, Niemann hat das Foto von dem chinesischen Geschäftsmann bekommen. Der sieht ja total anders aus als dieser Mister Wu!«
»Guten Morgen.«
Anja-Lena stand in der offenen Tür.
»Ja, der sieht wirklich völlig anders aus und ist quicklebendig vor zwei Wochen schon wieder nach China zurückgeflogen, wie wir inzwischen herausgefunden haben. Na ja, der Frau Knaake-Guo werd ich was erzählen ⦠Vor allem tut mir das Mädchen leid.«
Angermüller tat seine Kollegin leid. Im harten Kunstlicht sah man ihr die Ãbermüdung deutlich an, die Augen waren gerötet, als ob sie geweint hätte, und ihre sonst so frische Gesichtsfarbe war ihr auch abhandengekommen.
»Anja-Lena, wie gehtâs? Alles in Ordnung?«, fragte Angermüller mitfühlend.
Sie nickte nur.
Jansen, der nicht aufgeschaut hatte, seit die Kollegin das Büro betreten hatte, hob jetzt zwar neugierig den Kopf, seine unbewegte Miene jedoch vermittelte Gleichgültigkeit. Angermüller aber war sich sicher, dass auch ihm klar war, was Anja-Lenas Zustand zu bedeuten hatte. Sie wusste die Wahrheit über Steven. Was sonst hätte es sein können, das die stets ausgeglichene junge Frau so aus der Bahn werfen konnte? So viel Anstand hatte er scheinbar besessen, Steven C. Li, ihr persönlich die Wahrheit über seine Familie in China zu erzählen, bevor sie es von ihren Kollegen erfuhr.
»Ja, Kollegin, es gibt viel zu tun, wie du vielleicht schon gehört hast«, meinte Angermüller geschäftig. Arbeit war die beste Ablenkung von privatem Ungemach, die Erfahrung hatte er selbst auch schon des Ãfteren gemacht.
»Der Tote bei dem Fahrzeugbrand, ja.«
»Genau. In Grootmühlen.«
»Ja, verrückt! Gestern bekommt ihr von Steven den Hinweis auf das Restaurant dort, wo dieser Wu mal gearbeitet hat, und in der Nacht brennt nicht weit davon ein Auto.«
Der junge Mann hatte Anja-Lena also wirklich alles erzählt. Angermüller sagte nichts weiter dazu und nickte nur.
»Hab ich auch schon drüber nachgedacht. Gibt es denn schon Neuigkeiten in der Sache von Herrn Wu?«
»Ich habe vorhin mit Hamburg gesprochen. Wu ist ja dort gemeldet, lebte allein in einer kleinen Wohnung in St. Georg, in einer nicht sehr feinen Ecke hinterm Hauptbahnhof. Er ist keiner geregelten Arbeit nachgegangen, zumindest nicht offiziell, hat aber immer pünktlich seine Miete und alle sonstigen Kosten bezahlt. Laut Zeugen schien er in letzter Zeit keine finanziellen Sorgen zu haben und war viel unterwegs. Die Kollegen haben sich für uns in der Wohnung umgesehen und eine interessante Entdeckung gemacht: Unter der Matratze steckte eine Plastiktüte mit fast 60 000 Euro.«
»Ja, da schau an«, staunte Angermüller.
»Die groÃe Frage also, woher hat er das Geld?«
»Das könnte ja sogar für die These unseres Chefs sprechen«,
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