Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
ihre Unabhängigkeit, ihr Selbstbewusstsein geblieben? In die abgelegensten Ecken der Welt war sie gereist, hatte mutterseelenallein dort gelebt und recherchiert, und nun rief sie bei jedem Pups einen Mann zu Hilfe. Das musste diese Umgebung machen, in der sie ihre Kindheit und Jugend verlebt hatte, die verursachte wohl so eine Art Rolle rückwärts in die Vergangenheit.
Aber sollte sie wirklich Sophies Geschichte mit dem Treppensturz weiter nachgehen? In spätestens drei Tagen waren sie wieder in Berlin, dann war all das doch nur noch Schnee von gestern. Andererseits war da auch Wallys entsetzliches Schicksal, und sollte es tatsächlich einen Zusammenhang geben zwischen seinem Tod und den mysteriösen Anschlägen auf sie und Sophie, dann forderte ihr Gerechtigkeitssinn, dass man die Täter ermittelte und bestrafte. Ratlos starrte Marlene in ihre leere Teetasse, da klingelte es plötzlich lang und laut an der Haustür.
Ein Schauer ging gerade nieder, als die Kommissare auf Kleinhausens Anwesen wieder ins Freie traten. Angermüller schlug fröstelnd den Kragen seiner Lederjacke hoch.
»Ein Termin für Westhoff stand nicht in dem Terminbuch, den ganzen Tach nich«, informierte Jansen seinen Kollegen.
»Sag mal, in was für ein Wespennest haben wir da gestochen, Claus?«
Mehr erfreut als verwundert klang diese Frage.
»Tscha, dat frag ich mich auch die ganze Zeit.«
»Der Möller rennt zu diesem Westhoff, der taucht gleich drauf bei dem Kleinhausen auf. Da läuft doch was, oder?«
»Andere Frage: Was hältst du von einer Pause? Ist sowieso gleich Mittag, und ich könnt was zwischen die Kiemen vertragen. Und da können wir auch ma in Ruhe bei schnacken.«
Meist meldete sich Jansens Magen pünktlich um zwölf Uhr. Aber nur selten konnte er seinen stets groÃen Hunger auch sofort stillen, da sie häufig genau dann keine Gelegenheit dazu hatten. Heute entdeckten sie gleich um die Ecke am Kurpark ein kleines Bistro.
»Roulade mit Rotkohl. Super«, las Jansen, für den eine richtige Mahlzeit eine ordentliche Portion Fleisch beinhalten musste, das Mittagsangebot von der Tafel drauÃen. »Wollen wir?«
»In Gotts Namen. Da werd ich schon auch was finden«, nickte Angermüller, dem der Sinn nach Leichterem stand.
Von der Aussicht auf seinen kräftigen Mittagstisch getrieben, steuerte Jansen den Passat schwungvoll auf den Parkplatz der Holstein-Therme.
»Also fassen wir doch mal zusammen«, begann Angermüller, als sie sich in einer ruhigen Ecke des Lokals niedergelassen hatten. Direkt vor dem Panoramafenster, neben dem ihr Tisch stand, lag das AuÃenbecken der Therme.
»Ganz oben auf dem Zettel: der Zahnarzt auf der Visitenkarte unseres Toten vom Bahndamm. Mag ja sein, dass der Kleinhausen mal Patienten ohne Krankenschein behandelt, dann aber eher, um schwarzes Geld mit weiÃen Zähnen zu machen. Dass der ein Menschenfreund ist, der armen Gestrandeten hilft, kann der seiner GroÃmutter erzählen!«
»So ist das. Und dass die Visitenkarte aus der Bank stammt, wo der Westhoff arbeitet, ist sicher auch kein Zufall.«
»Ja, da muss es eine Verbindung geben«, sinnierte Angermüller, während er sich mit der Speisekarte beschäftigte. »Kleinhausen und Westhoff, die wissen beide, wer dieser Herr Wu ist, da bin ich mir zu 100 Prozent sicher.«
»Seh ich auch so«, stimmte Jansen zu, »aber was hat der Möller damit zu tun? Dass der vorhin zu dem Westhoff gefahren ist, hängt bestimmt mit unserem Besuch bei ihm zusammen und nicht mit Vermögensfragen. Und übers Wetter haben die vor der Bank auch nicht gesprochen, das schwör ich dir!«
»Darf ich Ihre Bestellung aufnehmen?«
»Die Roulade und eine groÃe Apfelschorle«, kam es prompt von Jansen.
»Ãh, Moment.«
Angermüller überflog die Karte. Er war gerade viel zu sehr auf ihre Ermittlungen konzentriert, als dass er sich dem für ihn sonst so wichtigen Thema Essen ausführlich hätte widmen können. Die Kellnerin trat nervös von einem Fuà auf den anderen.
»Ich nehm die Bruschetta mit Parmesanhobeln«, entschied er schlieÃlich halbherzig.
»Was trinken?«, fragte die Bedienung nicht sehr freundlich und sah ihn dabei starr an.
Er orderte einen Milchkaffee und war froh, als sie ihr Gespräch endlich fortsetzen konnten.
»Ich denke mal, wenn es wirklich so ist, dass
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