Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
gehalten. Marlene hatte den Frühstückstisch besonders üppig gedeckt, nicht weil sie so groÃen Hunger hatte, sondern weil sie die Vorräte aufbrauchen wollte, bevor sie sich am Wochenende auf den Weg zurück nach Berlin machten. AuÃerdem hatte sie ein paar Kerzen aufgestellt, deren lebendiges Licht sie nach dem grässlichen Ereignis vor wenigen Stunden besser vertragen konnte als die gnadenlose Helligkeit der Hängelampe.
»Guten Morgen, meine SüÃe. Gut geschlafen?«, begrüÃte sie Sophie munter, als diese mit ihrem entspannten Schlafgesicht, das kurze Haar noch verstrubbelt, hereinkam. »Vor allem hast du lange geschlafen! Und guck mal, heute gibt es einen richtigen Brunch, weilâs schon spät ist und wir das alles vor unserer Abreise aufessen müssen.«
Auch wenn Marlene in den letzten Tagen gelernt hatte, trotz aller Aufregungen gute Miene zu machen, heute Morgen überforderte sie diese Aufgabe, und Sophies Gespür für Stimmungen funktionierte kaum schlechter als vor dem Unfall.
»Was ist los?«, fragte sie sofort und sah Marlene forschend an, die versuchte, das Gesicht wegzudrehen. Da nahm Sophie die Freundin in ihren gesunden Arm und strich ihr zärtlich über den Rücken. Das war zu viel für Marlene. Ihre mühsam aufrechterhaltene gut gelaunte Fassade brach in sich zusammen, und sie begann hemmungslos zu heulen. Sophie hielt sie fest und murmelte Beruhigendes, von dem Marlene nicht alles verstand, aber spürte, dass es tröstend gemeint war. Als sie sich wieder einigermaÃen gefasst hatte, sah Sophie ihr ins Gesicht und wiederholte laut und deutlich: »Marlene, was ist los?«
Warum sollte sie es ihrer Partnerin nicht sagen? Sophie hatte Wally gestern Abend zum ersten Mal gesehen und ihn eigentlich gar nicht gekannt.
»Wally ist tot.«
Natürlich reagierte Sophie schockiert auf diese Mitteilung, aber zugleich wollte sie genau wissen, was passiert war, und Marlene erzählte es ihr, auch, dass es kein Unfall gewesen war. Als daraufhin wieder die Angst in Sophies Augen aufflackerte, die sie seit ihrem Treppensturz mal mehr, mal weniger beherrschte, bereute Marlene sofort ihre Offenheit.
»Sei ganz ruhig, meine Kleine. Sonnabend, spätestens Sonntag sind wir wieder in Berlin und dann lachen wir über die verrückten Geschichten hier, du wirst sehen.«
Jetzt war es an ihr, die Freundin zu trösten und Optimismus zu verbreiten.
»So, und von dem Schietwetter lassen wir uns doch nicht den Appetit verderben.«
Marlene wies auf den voll beladenen Küchentisch, wo Spiegeleier in der alten, schweren Eisenpfanne dampften, Katenschinken und Leberwurst vom Bauernhof lockten, eine Platte mit heimischen Käsesorten sowie der fast noch vollständige Apfel-Streusel-Kuchen. Neben dem Brotkorb reihte sich eine Auswahl Marmeladen, und eine groÃe Kanne Tee stand auf dem Stövchen bereit.
»Greif ordentlich zu! Nach Berlin will ich nichts mehr davon mitnehmen.«
Das ausgedehnte Frühstück gestaltete sich richtig nett. Die Aussicht, bald nach Hause zu fahren, versetzte die beiden Frauen in angeregte Vorfreude.
»Wir müssen uns von einer Menge Leute hier verabschieden«, zählte Marlene auf. »Sandra will uns noch einmal sehen, Mirko hat uns eingeladen, und wir müssen natürlich Tante Birgit Auf Wiedersehen sagen und uns bedanken, dass sie uns ihr Haus hier überlassen hat.«
Sophie, die ja nicht so viel Wert auf Geselligkeit legte, nahm diese Ankündigung gelassen hin. Sie hatte tatsächlich einen unglaublichen Entwicklungssprung gemacht in den letzten Tagen, sowohl was ihr Sprachverständnis wie auch ihren aktiven Wortschatz betraf, und sie führten fast so etwas wie eine echte Unterhaltung, wobei Marlene nun mit Bedacht die heiklen Themen aussparte.
Auch wenn Sophies Riesenfortschritte Marlene mit groÃer Freude und Hoffnung erfüllten, ging ihr während des Frühstücks wieder die Geschichte mit dem Mann durch den Kopf, dem Mirko gestern Abend nach seinem Besuch begegnet war. Sollte sie später einfach hinüber ins âºBambushausâ¹ gehen und nach Tao fragen, so wie sie es sich heute Nacht vorgenommen hatte? Sophie durfte davon natürlich nichts mitkriegen, die hatte ja allein die Idee schon furchtbar aufgeregt. Oder sollte sie doch lieber vorher Mirko anrufen und mit ihm darüber sprechen?
Mirko, immerzu Mirko â mein Gott, wo war nur
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