Ungnade: Thriller (German Edition)
wurde schrill.
» Sie kennt Sie doch nicht, Boss. Was regen Sie sich also so auf?«
Hudson senkte den Kopf und fuhr sich über das kurze Haar. » Sie hat mich schon bei dem Konzert gesehen«, sagte er. » Und jetzt hier.«
Nummer zwei machte ein langes Gesicht.
» Nach dem, was gestern Abend passiert ist, müssen ihre Nerven gespannt sein wie Drahtseile. Jetzt braucht sie nur noch eins und eins zusammenzuzählen.«
Nummer zwei drehte sich auf seinem Sitz um und schaute nach hinten. » Aber gefolgt ist sie uns nicht«, stellte er fest.
Hudson lachte. Ein raues, bellendes Lachen, bei dem Zwei zusammenzuckte. » Würdest du das etwa tun? Uns folgen?«, fragte Hudson. » An ihrer Stelle würde ich den Wagen wenden und so schnell wie möglich in die entgegengesetzte Richtung abhauen.«
» Was, wenn sie zu den Bullen geht?«
» Keine Ahnung.«
» Was machen wir jetzt?«
» Bleibt uns denn eine Wahl?«
Nummer zwei nickte schweigend.
» Du weißt, dass du und ich nicht nur keine Kohle bekommen, sondern wahrscheinlich obendrein auch noch eine Kugel zwischen die Augen, wenn wir das versauen«, sagte Hudson. » Mit unserem Auftraggeber ist nicht gut Kirschen essen. Er hat uns für den Job angeheuert. Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen.«
» Ich rufe die anderen an.«
» Tu das. Und vielleicht findest du bei der Gelegenheit auch ganz zufällig heraus, wieso die uns nicht Bescheid gesagt haben, dass die Polizistin in unsere Richtung losgefahren ist.«
» Mach ich.«
» Wenn wir die Sache hinter uns haben, bringe ich die beiden Idioten um. Umsonst sogar.«
Hudson öffnete die Tür und stieg aus dem Wagen, während Nummer zwei Nummer fünf anrief. Er entfernte sich ein paar Schritte, bemühte sich, ruhiger zu atmen und seine Wut zu kontrollieren. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war eine Verfolgungsjagd durch die Highlands. Vor allem, wenn es sich bei dem Opfer um eine Polizeibeamtin handelte, die genau wusste, dass er hinter ihr her war.
Er stand im Regen, spürte die kühlen Tropfen auf seinem Kopf und seinem Gesicht und beobachtete Nummer zwei beim Telefonieren. Als der das Gespräch beendet hatte, stieg er ebenfalls aus. Die Frau bewege sich in Richtung Norden, rief er ihm zu.
» Sie soll einen ganz schönen Zahn draufhaben.«
» Ach, wirklich?«, sagte Hudson. » Dann lass uns fahren.«
14
Rebecca wurde von einer Heidenangst gepackt. Überstürzt verließ sie das Tankstellengelände und trat das Gaspedal voll durch, als sie Distanz zwischen ihren Wagen und die Stadt brachte. Dabei fuhr sie nicht den beiden Männern im Mazda hinterher, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Nach Norden. Aus Protest gegen den abrupten Kraftschub drehten die Räder auf dem feuchten Asphalt kurz durch. Als sie wieder griffen, machte der Wagen einen Satz nach vorn.
Es konnte doch beim besten Willen kein Zufall sein, dass sie dem Mann aus der Konzerthalle hier in Fort William wiederbegegnet war. Sie spürte, dass auch er sie wiedererkannt hatte, das hatte sie in dem kurzen Augenblick an der Tankstelle, als ihre Blicke sich trafen, sofort gemerkt. Der Mann hatte übertrieben kühl reagiert, gänzlich unbeteiligt getan, war in seinen Wagen eingestiegen und davongefahren. Das Fehlen jeglicher Reaktion bereitete ihr mehr Sorgen, als wenn er bei ihrem plötzlichen Wiedersehen seinerseits zusammengezuckt wäre.
Am Ende der Stadt führte die Straße in die gebirgigen Hügel, deren höchste Erhebung zu ihrer Rechten in den Wolken verschwand. Auf beiden Seiten der Straße flogen die immer noch üppig grünen Bäume an ihr vorbei. Es regnete, aber das Wetter schien sich nicht entscheiden zu können, wie stark der Regen denn nun sein sollte– gelegentlicher leichter Niesel wechselte sich mit jäh einsetzendem Platzregen ab. Rebecca hatte mehr als genug damit zu tun, die Intervallschaltung ihrer Scheibenwischer anzupassen.
Während die Minuten verstrichen und sie kein Anzeichen dafür entdecken konnte, dass sie verfolgt wurde, verlangsamten sich ihre Atemzüge wieder. Als sich die Straße zwischen den Bäumen hindurchzuschlängeln begann, nahm sie den Fuß etwas vom Gas. Sie gab sich alle Mühe, Ruhe zu bewahren, warf aber nichtsdestotrotz alle paar Sekunden einen Blick in den Rückspiegel. Nach etwa einer Viertelstunde erblickte sie eine provisorische Parkbucht, die eigentlich nicht mehr war als ein grasbewachsener Randstreifen, den Autofahrer aber bereits so häufig zum Halten benutzt hatten, dass der Boden braun und
Weitere Kostenlose Bücher