Ungnade: Thriller (German Edition)
Teil: Gejagt
1
Rebecca stand mit ihrem Ford Mondeo am Anfang der Reihe der Autos, die nach Mull übersetzen wollten. Sie wartete darauf, dass die Crew ihre Vorbereitungen für die erste Überfahrt des Tages beendete, damit sie auf die Fähre rollen, ihren Wagen sichern und sich etwas zu essen besorgen konnte.
Sie war den Hinweisschildern nach Oban gefolgt und dort kurz nach sechs Uhr früh als Erste eingetroffen. Der Beladevorgang war eine gut organisierte Angelegenheit. Die Fahrzeuge wurden in geordneter Formation geparkt, sodass jeder Fahrer wusste, wann er an der Reihe war. Eine Weile nach ihrem Eintreffen war Rebecca ausgestiegen und die wartenden Autos abgeschritten. Sie war neugierig, ob einer der Wagen der vergangenen Nacht darunter war. Beruhigenderweise war dem nicht so.
Der Regen war in einen leichten, aber beharrlichen Niesel übergegangen, der ihr auf die Stimmung schlug, sooft sie ihren Wagen verließ. Obwohl sie die Heizung eingeschaltet hatte, fror sie.
Zirpend machte ihr Telefon auf sich aufmerksam. Das Display zeigte Logans Handynummer.
» Wir machen uns jetzt auf den Weg zu dir«, sagte er, ohne Zeit mit einer Begrüßung zu verschwenden. » Bist du schon an der Fähre?«
» Ja, ich warte am Anleger.«
» Irgendein Anzeichen von den Verfolgern?«
» Nein, bisher nicht.«
» Wir müssten rechtzeitig für die nächste Fähre um neun eintreffen.«
» Hoffentlich habt ihr die Überfahrt schon online gebucht, damit ihr auch den Rabatt abstaubt.«
Logan wunderte sich, dass sie noch einen Witz machen konnte. » Es wird alles gut«, versicherte er ihr.
» Dann will ich dir das mal glauben.«
Über hundertfünfzig Kilometer südöstlich von Oban luden Logan und Hardy ihre Ausrüstung in den Kofferraum von Hardys Jeep. Zum Schluss deckte Hardy alles mit einer Segeltuchplane ab.
» Wie gut ist der Typ?«, fragte Logan. » Purcell, meine ich. Ist er der Sache gewachsen, wenn er sich zur Wehr setzen muss, bevor wir da sind?«
Im grellen Licht des starken Halogenscheinwerfers, mit dem der Vorplatz des Lagerhauses ausgeleuchtet wurde, betrachtete Hardy Logan mit zusammengekniffenen Augen. » Das ist er, glaube mir. Rebecca ist in sehr guten Händen.«
Logan nickte. Die Antwort beruhigte ihn. Sie stiegen in den Wagen, und Hardy steckte den Schlüssel in die Zündung. » Liebst du sie?«, fragte er.
Logan antwortete nicht sofort. Der Scheinwerfer erlosch, und sie saßen im Dunkeln. » Ich denke schon«, sagte er schließlich. » Ja.«
Er konnte Hardys Gesicht nicht erkennen, sah ihn aber kurz nicken, ehe er den Zündschlüssel drehte und der Motor dröhnend zum Leben erwachte.
Logan erinnerte sich noch, wie Hardy ausgesehen hatte, als er ihm zum ersten Mal begegnet war: gezeichnet vom Krieg und den Tragödien, die er erlebt hatte. Doch in der Zeit nach Ellies Rettung hatte er beobachtet, wie er sich veränderte, wie die Erschöpfung langsam abebbte und etwas anderes an ihre Stelle trat. Jetzt war Logan klar geworden, was es war, das Hardy die Kraft zum Weitermachen verlieh: sein Beruf, den er mehr liebte als alles andere.
» Du bist ein guter Mensch, Tom«, sagte Logan. » Lass dir bloß nie von jemandem das Gegenteil einreden.«
Hardy wandte ihm sein Gesicht zu, das nun durch die Reflektion der Autoscheinwerfer von der Wand des Lagerhauses erhellt wurde. » Als wir uns kennenlernten, habe ich dich unterschätzt, Logan. Ich habe dich für ein Weichei von Anwalt gehalten, dachte, Alex wäre wahnsinnig, sein Leben für dich aufs Spiel zu setzen und von mir und dem Team das Gleiche zu verlangen.«
» Damals hast du nie etwas in der Art gesagt.«
Hardy zuckte mit den Achseln. » Ich hab’s für Alex getan. So wie immer.«
» Das ändert nichts an dem, was ich gerade eben gesagt habe.«
» Diesmal tue ich’s für dich.«
2
» Sie bewegt sich seit ungefähr einer halben Stunde nicht mehr von der Stelle«, verkündete Nummer zwei. Er saß auf dem Beifahrersitz des Mazda mit Hudson am Steuer und Nummer drei und fünf auf dem Rücksitz. Wann immer Hudson im Rückspiegel zu den beiden nach hinten schaute, wandte Drei den Blick ab.
Es hatte sie viel Anstrengung und Zeit gekostet, den Wagen am Straßenrand provisorisch fahrbereit zu machen, und spätestens bei Anbruch der Dämmerung würden die drei Wracks mit den dazugehörigen Leichen entdeckt werden. Hudson musste den Auftrag schnell und zufriedenstellend erledigen.
» Wie weit noch?«, fragte er.
» Ein paar Kilometer.«
» Was macht sie da
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