Ungnade: Thriller (German Edition)
wissen: Dieser Typ, den du besucht hast und für den du mich im Krankenhaus hast warten lassen– ist er es wert, dass du dir das alles für ihn antust? Sieh doch nur, was er mit dir anstellt.«
Sie starrte ihn verständnislos an.
» Was sonst hätte dich aufhalten können, nachdem du mich im Krankenhaus zurückgelassen hattest?«, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage. » Habt ihr so lange gebraucht, um euch voneinander zu verabschieden?«
» Aber warum unterstellst du, dass mit meiner Beziehung zu ihm irgendetwas nicht stimmt?«
» Hatte das vorhin etwa nichts mit ihm zu tun?«
» Doch, irgendwie schon, aber nicht richtig. Wir teilen…«
Wie kann man das nur ausdrücken?
» …eine gemeinsame Vergangenheit.«
Er schwieg, wandte sich wieder dem geöffneten Fenster zu und ließ sich den Wind übers Gesicht streichen.
3
Logan wartete in seiner Wohnung darauf, dass Ellie nach dem Abendessen mit seinen Eltern wieder nach Hause kam. Am abendlichen Himmel schimmerten rosafarbene Staubpartikelchen des Sonnenuntergangs, und durch die offenen Fenster drang der Geruch des Spätsommers in alle Räume.
Es war ein merkwürdiger Nachmittag gewesen, nachdem Rebecca ihn verlassen hatte, um zu ihrer Odyssee– falls das der passende Ausdruck dafür war– mit Roddy aufzubrechen. Nach ihrem Beisammensein hatte er wie unter Strom gestanden, aber das Gefühl hatte sich inzwischen gelegt, und so blieb Logan nichts zu tun, als darüber nachzudenken, was er aus Rebeccas Entscheidung machen sollte, ein paar Tage mit Roddy zu verbringen– vor allem im Hinblick darauf, dass sie vorher noch bei ihm vorbeigeschaut hatte, und erst recht auf das, was dann passiert war.
Nachdem sie fort war, hatte er mindestens drei Mal das Telefon in die Hand genommen, um sie anzurufen. Doch er wollte nicht das, was zwischen ihnen gewesen war, nachträglich dadurch ruinieren, dass er klammerte oder eifersüchtig war– obwohl er genau das doch tat beziehungsweise war.
Nachdem er sich halbherzig ein paar Stücke von Bruce Springsteen angehört hatte– » Wer ist denn der alte Knacker?«, hatte Ellie gefragt, als sie das Foto auf dem Cover seiner jüngsten CD gesehen hatte–, trat er an seinen DVD -Schrank und fuhr mit dem Finger an den Regalen entlang, bis er bei Hitchcocks Film » Rebecca« innehielt. Wie sie wurde auch er von der Vergangenheit verfolgt: Während seines ersten Mals mit Penny nach dem Konzert im Barrowland Ballroom war dieser Film im Fernsehen gelaufen.
Doch als er sich diesmal ihr Gesicht im Regen ins Gedächtnis rufen wollte– ihre Lippen, die seine berührten–, sah er nur Rebecca Irvine. Vielleicht war das ein gutes Zeichen, vielleicht auch nicht. Er konnte es nicht sagen.
Er fragte sich, ob er sie liebte. Rebecca.
» Ich liebe dich, Becky«, sagte er leise zu den Fremden, die unter seinem Fenster vorbeigingen. Er wollte testen, wie sich die Worte anhörten, wie es war, sie auszusprechen. Sie machten ihn weder verlegen, noch waren sie ihm peinlich, aber was er sonst bei ihnen empfand, konnte er nicht sagen.
Er war bei einer schrecklichen Samstagabendshow im Fernsehen auf der Couch eingedöst, als er plötzlich Ellies Stimme hörte. Sie kam die Treppe heraufgestürmt, steckte ihren Schlüssel ins Türschloss und lachte dabei über seinen Vater, der vergeblich mit ihr Schritt zu halten versuchte. Als sich die Tür knarrend öffnete, hatte er sich bereits von der Couch erhoben.
» Hallo, Logan«, begrüßte sie ihn, als sie ins Wohnzimmer kam, sich auf die Zehenspitzen stellte und ihm einen Kuss auf die Wange gab.
Mit einem Mal war die Welt wieder in Ordnung.
Sein Blick fiel auf die Einkaufstüten voller Kleider und Schuhe, die sein Vater hinter ihr in die Wohnung schleppte.
» Du verwöhnst sie zu sehr, Dad.«
» Du bist Anwalt. Verklag mich doch.«
Logan lachte.
Ellie riss ihrem Großvater eine der Tüten aus der Hand und verschwand in ihrem Schlafzimmer. Über die Schulter rief sie ihm noch zu, dass sie ein paar der neuen Sachen anziehen wolle, damit Logan sie darin bewundern könne. Dann hörte er seine Mutter die Stufen hochschnaufen. Sein Vater beugte sich zu ihm vor und flüsterte: » Sie hat uns gebeten, mit ihr zu Pennys Grab zu fahren, um dort Blumen für sie niederzulegen.«
» Und? Habt ihr es gemacht?«
» Natürlich nicht. Aber ich habe ihr gesagt, dass sie dich darauf ansprechen soll, dass es die Aufgabe ihres Vaters ist, das mit ihr zu tun.«
» Ich werde mit ihr darüber reden. Vielleicht
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