Ungnade: Thriller (German Edition)
Gedanken zu verbannen, trat ans Fenster und zog die Vorhänge beiseite. Es bot sich ihr ein atemberaubender Blick auf den See und die Berge dahinter. Das Wasser glitzerte in der Morgensonne.
Als sie das Bettzeug von der Couch nahm, bemerkte sie plötzlich das Geräusch der Dusche. Roddy sang etwas. Sie lauschte und erkannte » The Dock of the Bay«. Nachdem sie sich eine Tasse Tee gemacht hatte, stand sie daran nippend am Fenster, als Roddy in ausgewaschener Jeans und einem grauen Poloshirt mit dem Aufdruck » ROAD CREW « auf dem Rücken aus dem Schlafzimmer trat. Um seinen Kopfverband zu verbergen, trug er eine Baseballmütze. Sie musste zugeben, dass sie ihm gut stand. Als er sie erblickte, blieb er stehen, musterte sie von Kopf bis Fuß, grinste und nickte dann anerkennend.
» Du bist so ordinär«, sagte sie, stellte ihre Tasse ab und ging an ihm vorbei ins Bad.
Im Speisesaal luden sie sich zum Frühstück Würstchen, Speck und Eier auf die Teller, um sich für den Tag zu stärken. Sie wollte ihre Eier pochiert, er gebraten. Rebecca schoss die Frage durch den Kopf, was Logan wohl zum Frühstück bevorzugte, und freute sich schon darauf, es herauszufinden.
» Und wie lautet der Plan für heute, Boss?«, erkundigte sich Roddy.
» Ich dachte, wir fahren erst einmal weiter«, sagte sie, » packen unsere Sachen zusammen und essen in Fort William zu Mittag. Dann könnten wir einen Spaziergang durch die Stadt machen und so tun, als wären wir Touristen.«
Obwohl Rebecca das Hotel eigentlich ganz gut gefiel und sie unter normalen Umständen auch erwogen hätte, eine weitere Nacht zu bleiben, hatte ihr das Erlebnis auf dem Parkplatz die Freude an ihrem Aufenthalt verdorben. Sie wollte schnellstmöglich weg.
» Aber es ist doch nett hier«, sagte Roddy und ließ seinen Blick über das geschäftige Treiben im Frühstücksraum gleiten. » Warum bleiben wir nicht noch ein bisschen?«
» Lass uns lieber in Bewegung bleiben. Die Abwechslung wird dir guttun. Wir könnten auch rüber nach Skye fahren. Aber nicht über die Brücke, sondern mit der Fähre, das ist viel schöner.«
» Meinetwegen. Du bestimmst.«
Nach dem Frühstück luden sie ihr Gepäck in den Wagen. Rebecca sah sich auf dem Parkplatz um, ob auch niemand in einem der anderen Autos auf sie wartete, und warf ängstliche Blicke auf die Straße, ob sich dort etwas Verdächtiges tat. Dabei hatte dies doch eine erholsame Pause vom Alltag sein sollen. Immerhin Roddy schien heute besserer Stimmung zu sein.
Rebecca wartete im Wagen, während Roddy zur Rezeption ging, um die Rechnung zu bezahlen. Die Basketballkappe hatte er sich tief ins Gesicht gezogen, damit man ihn nicht gleich erkannte– zumindest war es ein Versuch, auch wenn der wohl hier nicht notwendig war. Im Hotel waren überwiegend ältere Leute und Familien abgestiegen, die nicht auf seine Band zu stehen schienen. Das Publikum bei seinen Konzerten bestand überwiegend aus Mädchen und Jungen im Teenageralter– vor allem aus Mädchen.
Sie fuhren auf die Hauptstraße zurück und folgten dann den Schildern nach Fort William. Roddy hatte wieder das Seitenfenster heruntergelassen, sodass der Wind ins Wageninnere blies. Rebeccas Nacken wurde kalt, aber sie beschwerte sich nicht. Sie machten diese Fahrt für ihn, nicht für sie.
» Weißt du«, sagte Roddy, nachdem sie zehn Minuten gefahren waren, » ich besitze wahrscheinlich mehr Geld, als ich je ausgeben kann. Sogar meine Steuern sind bezahlt. Vielleicht sollte ich mich einfach zur Ruhe setzen und mir hier in der Gegend etwas kaufen.«
» Hört sich gut an«, sagte Rebecca. » Warum nicht?«
» Aber ich werde Gesellschaft brauchen. Ich würde verrückt werden, wäre ich die ganz Zeit allein.« Er sah sie von der Seite an. Sie ignorierte ihn. » Wie wär’s, Becky Reid, hast du nicht Lust, mich zu heiraten?«
» Ganz bestimmt.«
» Im Ernst?« Der plötzliche Enthusiasmus in seiner Stimme machte ihr Sorgen.
» Nein, Roddy. Nicht im Ernst.«
» Ach, jetzt komm schon. Merkst du denn nicht, wie gut wir miteinander zurechtkommen? Und du warst doch mal ganz schön scharf auf mich, stimmt’s?«
» Du vergisst, dass ich dir damals den Laufpass gegeben habe. Die Antwort lautet also Nein. Ich mag dich wirklich gern, Roddy, aber falls du dir Hoffnungen machst, dass auf dieser Reise oder zu einem späteren Zeitpunkt etwas zwischen uns passiert, schlag dir das lieber ganz schnell aus dem Kopf.«
» Aber ich könnte dich von allem befreien, was du
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