Ungnade: Thriller (German Edition)
überhaupt richtig verstanden? Drei hörte, wie Fünf ebenfalls ausstieg und ihm nacheilte. Er selbst legte noch einen Schritt zu.
» He!«, rief er wieder.
Rebecca kam aus ihrem Wagen hervor, schloss die Tür und blickte Nummer drei entgegen. Er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie sich sein Gesicht einprägte.
12
Auch Nummer fünf erhöhte sein Tempo, um zu seinem Kollegen aufzuschließen. Sie waren noch etwa zwei Wagenlängen von ihr entfernt, als die Frau die Autotür zuschlug und Richtung Hoteleingang eilte. Sie würden sie auf dem Parkplatz nicht mehr einholen. Was sollten sie also tun? In der Rezeption oder noch auf der Treppe das Feuer auf sie eröffnen?
» Lass sein«, zischte er Drei zu.
Rebecca blieb stehen und wandte sich verunsichert um.
Sie standen fünf Meter voneinander entfernt, während sich tief hängender Nebel über den See legte.
Keiner der beiden Männer trug einen Fotoapparat oder sonst etwas bei sich, was auf Journalisten auf der Jagd nach einer Story hindeutete. Vielleicht hatte Rebecca sie ja nur in einem unvorbereiteten Augenblick angetroffen, andererseits sahen die Kerle auffallend durchtrainiert aus– schmale Hüften, breite Schultern. Journalisten trugen normalerweise vom vielen Herumsitzen am Schreibtisch und vom ungesunden Essen einen Wanst vor sich her. Der Mann, der einen Schritt näher stand, war der jüngere von beiden, und danach zu urteilen, wie er auf das Kommando des Älteren augenblicklich stehen geblieben war, schien er einen niedrigeren Rang zu bekleiden– falls das der treffende Ausdruck war.
Der ältere Mann trat einen Schritt vor, neben seinen Kollegen. Rebecca ging langsam rückwärts und ließ die Männer dabei nicht aus den Augen. Das Schweigen der beiden wurde ihr unheimlich.
» Lasst ihn in Ruhe!«, rief sie ihnen zu, um nur irgendetwas zu sagen, und setzte ihren schrittweisen Rückzug fort, bis sie das Gefühl hatte, nahe genug beim Hoteleingang zu sein. Dann drehte sie sich um, unterdrückte aber den dringenden Impuls, die Stufen hinaufzurennen. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, sich vor ihnen zu fürchten. Vor der Tür wandte sie sich noch einmal um. Die beiden gingen zu ihrem Wagen zurück.
Sowie sie wieder in ihrer Suite war, kippte sie ein Fläschchen Single Malt aus der Minibar hinunter. Die brennende Glut, mit der die Flüssigkeit ihr die Kehle hinunter und in ihr tiefstes Inneres rann, tat gut. Ihre Hände zitterten noch immer ein wenig, als sie im Adressbuch ihres Handys Logans Nummer suchte. Sie wollte gerade die Anruftaste drücken, als ihr bewusst wurde, dass es bereits nach elf war. Sie zögerte kurz, wählte dann aber trotzdem. Dann war sie eben egoistisch, egal. Sie wollte seine Stimme hören.
Das Freizeichen erklang, dann schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Sie wollte gerade auflegen, als sich Logan mit verschlafener Stimme meldete.
» Mmm… Hallo?«
» Hallo, du Schlafmütze.«
» Becky?« Mit einem Mal war er hellwach. » Was ist los?«
» Nichts, ich wollte mich nur melden und hören, wie’s dir so geht.«
» Nun, unser Nachmittag vorhin war… interessant.«
» So nennst du das also? Da hätte ich dich ja nicht zu stören brauchen.«
» Wenn die Nachmittage mit dir immer so werden, kannst du mich stören, so oft du willst.«
Sie musste lächeln.
» Und wie läuft es mit deinem Begleiter?«, erkundigte er sich.
» Gut. Er schläft jetzt. Ich glaube, er kommt klar. Es scheint, als würde er sich wirklich am Riemen reißen wollen. Das ist der erste Schritt.«
» Wird wohl so sein.«
» Ach, leg dich einfach wieder schlafen«, sagte sie. » Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.«
Sie hätte gern mit anderen Worten das Gespräch beendet, wusste aber nicht, mit welchen.
Ich liebe dich?
» Pass auf dich auf«, sagte er.
» Du auch.«
Sie legte das Handy beiseite und lehnte sich auf der Couchzurück. Bloß nichts überstürzen, sagte sie sich, sie hatten noch jede Menge Zeit.
Um viel vom Leben zu haben.
13
Gegen acht wachte sie auf. Ein Streifen Sonnenlicht drang durch einen Spalt zwischen den Vorhängen und fiel auf ihre Wange. Sie wälzte sich auf den Rücken und streckte sich. Ihre Hände berührten den Lederbezug der Couch. Auch ohne richtiges Bett hatte sie gut geschlafen und fühlte sich erholt.
Sie dachte an den gestrigen Tag und an Logan, aber dann drängte sich die spätabendliche Begegnung mit den beiden Männern auf dem Parkplatz in den Vordergrund. Sie versuchte sie aus ihren
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