Ungnade: Thriller (German Edition)
gefunden?«
Der Polizist saß am Steuer; er blickte seine Kollegin neben sich an, dann wieder stur geradeaus.
» Was soll das bedeuten?«, fragte Rebecca, obwohl sie bereits ahnte, was so ein Verhalten zu bedeuten hatte.
Die Frau wandte sich zu ihr um und setzte eine mitfühlende Miene auf. Sie verhielt sich so, wie es jedem Beamten in der Polizeischule beigebracht wurde. Rebecca wusste, was jetzt kam. Sie wollte es nicht hören, wünschte sich, die Frage nie gestellt zu haben.
» Es tut mir leid«, sagte sie. » Es tut mir wirklich leid.«
Rebecca ließ sich in ihren Sitz zurücksinken, fühlte sich plötzlich innerlich leer. Die Straßenlaternen huschten an ihr vorüber.
Dunkel, dann wieder hell.
Dunkel, dann wieder hell.
Und dann nichts mehr.
Roddy.
11
Das Polizeirevier war größer, als Rebecca es in einer so kleinen Stadt wie Fort William erwartet hätte– dreigeschossig thronte es ein wenig abseits der Hauptstraße.
Sie betraten das Gebäude durch die Vordertür und fanden sich in einem kleinen Wartebereich mit Auskunftstresen hinter einer Glasscheibe wieder. Wenigstens führten sie sie nicht durch den Hintereingang herein wie eine Verbrecherin.
Die Frau hinter der Glasscheibe war offenbar eine Zivilangestellte. Sie trug eine hellblaue Bluse mit dem Logo der Northern Constabulary,begrüßte den männlichen Beamten mit Kopfnicken, als dieser zur Tür hereinkam, und drückte auf einen unter ihrem Tresen angebrachten Summer, der eine Tür öffnete, die in den Bereich führte, in dem die eigentliche Polizeiarbeit gemacht wurde.
Man brachte Rebecca in einen Raum, in dem sich ein Tisch mit Kunststoffplatte, ein Spülbecken und eine Anrichte mit den Utensilien für die Zubereitung von Tee und Kaffee befanden. Sie setzte sich auf einen Plastikstuhl und nahm das Angebot einer Tasse Tee an. Noch nie hatte sie auf dieser Seite des Tisches gesessen: auf der Seite des Opfers.
Wenn sie die Augen schloss, sah sie immer wieder vor sich, wie das Messer in Roddys Genick gestoßen wurde. Sie rieb sich die Augenlider– als würde das die Erinnerung auslöschen– und hoffte, dass sie keine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln würde, bei dem etwas im Gehirn ein ständiges plastisches Nacherleben eines schrecklichen Augenblicks auslöst.
Kein Wunder, dass die Soldaten, die aus dem Irak oder aus Afghanistan zurückkamen, so verstört waren. Was mussten sie erlebt haben!
Die weibliche Beamtin kam zurück und nahm ihr gegenüber Platz. Sie legte ihre Mütze auf den Tisch und strich sich das dunkle Haar glatt.
» Trinken Sie«, sagte sie, » das wird Ihnen guttun.«
» Meinen Sie etwa, davon wird es besser?«
» Tut mir leid. Ich fürchte, dafür braucht es wohl mehr als nur eine Tasse Tee.«
Rebecca nickte, nahm aber trotzdem dankbar einen Schluck von dem heißen, süßen Tee.
» Wenn Sie so weit sind«, begann die Beamtin, » müssen wir Ihnen ein paar Fragen stellen. Das CID wird dann Ihre Aussage aufnehmen.«
Wiederum nickte sie.
» Außerdem müssten Sie sich umziehen und uns Ihre Kleidungsstücke übergeben.«
» Ich weiß«, sagte Rebecca.
» Natürlich. Sie sind bei der Kriminalabteilung der Strathclyde Police, nicht wahr? Wo genau?«
Rebecca wusste nur zu gut, dass die Frau sie gezielt in eine Plauderei verwickeln wollte, damit sie sich ein wenig entspannte. Sie ließ die standardmäßige psychologische Manipulation gern über sich ergehen, fühlte sie sich dadurch doch auf vertrautem Terrain.
» Im Augenblick nirgendwo. Ich bin beurlaubt.«
» Warum?«
» Ich bin vor Kurzem geschieden worden. Mein Superintendent hat mir geraten, mir etwas Zeit zu nehmen, um mich zu regenerieren.«
» Und das wollten Sie hier in Fort William tun?«
Rebecca nippte noch einmal an dem Tee und sah ihr Gegenüber durch den aufsteigenden Dampf hindurch an.
» Gehört das schon zu meiner Aussage?«
» Wenn Sie anfangen wollen, kann es losgehen. Ansonsten können wir auch noch über dieses und jenes reden.«
Glaubt sie etwa, ich wäre irgendwie in die Sache verwickelt? Oder bin ich schon paranoid?
» Nein«, sagte Rebecca nach einem weiteren Schluck, » ich habe nur einem alten Freund geholfen– oder habe es zumindest versucht. Hat nicht so recht geklappt.«
» Woher kannten Sie ihn?«
Rebecca war sich nicht sicher, ob die Beamten überhaupt wussten, wer Roddy eigentlich war– ein berühmter Rockstar. Gott, wie abgedroschen sich das anhörte.
» Sie wissen, um wen es sich handelt?«
Die Beamtin
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