Unguad
darüber hinwegtäuschen, dass
sie stinksauer war und nur mit Mühe ihre Schimpfkanonade zurückhalten konnte.
Frau Langenscheidt schloss betont leise die Tür. Wir lächelten uns
an. Ich bewunderte still ihre perfekt fallenden blonden Haare. Davon konnte ich
nur träumen. Auch von ihren schlanken Modelmaßen war ich meilenweit entfernt.
So war es nun mal, wenn man an der Grenze zu den Wechseljahren stand. Ich zog
mein T-Shirt über meinen Rundungen zurecht und setzte mich auf den angebotenen
Stuhl.
Während die Kommissarin ihre Sachen aus der Aktentasche holte und
auf dem Tisch ordnete, spähte ich unauffällig im Zimmer umher. Ein erstaunlich
unpersönlicher Raum, wenn man bedachte, dass eine Frau hier den ganzen Tag
arbeitete. Wenige Farben, keine Pflanzen, langweilige beige Vorhänge. Kein
Wunder, dass die Imhoff immer so schlecht gelaunt war.
»Der haben Sie’s aber gezeigt!«, entfuhr mir doch ein laxer
Kommentar.
»Nun, ich kann sie ja auch verstehen. Das ändert jedoch nichts
daran, dass sie die Ermittlungen unterstützen muss.« Sie lehnte sich zurück.
»Ist Ihnen denn noch etwas zum Fall eingefallen? Oder …«, die Kommissarin
betrachtete mich aufmerksam, »haben Sie Neues erfahren?«
Oho! Jetzt war ich dran!
»Frau Schneider, mir wurde berichtet, dass Sie auf eigene Faust
Erkundigungen einholen und Leute befragen.«
Sofort drängte mir das Schuldbewusstsein eine unangenehme Röte ins
Gesicht. Wer hatte ihr denn das erzählt!
Die Kommissarin fuhr fort: »Das ist bis zu einem gewissen Maß in
Ordnung. Allerdings handelt es sich jetzt um einen Mordfall, und Sie sollten
sich aus unseren Ermittlungen heraushalten. Wir sehen es äußerst ungern, wenn
Zivilisten Detektiv spielen. Lassen Sie das! Das ist ein gut gemeinter Rat.«
Oje, wie entsetzlich! Standpauke beendet?
»Frau Kommissarin Langenscheidt, ich wollte mich wirklich nicht in
Ihre Kompetenzen einmischen. Aber … schließlich hab ich sie gefunden … und da
konnte ich nicht anders. Ich musste einfach mit ein paar Leuten reden.«
Ich versuchte, ein unschuldiges Welpengesicht aufzusetzen. Bei
meinem Mann half das manchmal.
Die Kommissarin lachte auf. Vielleicht musste ich daran noch etwas
arbeiten. Also entspannte ich meine Gesichtszüge wieder.
»Nun gut. Allerdings müssen auch Sie sich an die Regeln halten. Da
bin ich eisern und kenne keinen Spaß. Ich kann Ihnen jedoch nicht verbieten,
mit Ihren Verwandten, Freunden und Bekannten hier über den Fall zu sprechen.«
Oh, ein Lichtblick!
»Aber in Grenzen!« Eine strenge Miene. »Und sollten Sie etwas
erfahren, das den Ermittlungen dienlich ist, wenden Sie sich sogleich an uns.
Keine Alleingänge, bitte!«
»Okay. Ich hab Sie verstanden.« Jetzt fühlte ich mich mit meinen
vierundvierzig Jahren wie ein abgekanzeltes Kleinkind. Eines wollte ich jedoch
wissen. »Woran ist die Elvira denn jetzt eigentlich gestorben?«
Mich traf ein kühler Blick. »Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft
geben.«
»Aha. Sie ist doch erstickt, oder? Hatte sie einen Asthmaanfall?«
Keine Reaktion. »Oder …?«
»Frau Schneider.«
»Ich verstehe.« Ich erhob mich halb aus meinem Stuhl, überlegte es
mir aber anders und ließ mich wieder nieder. Die Kommissarin notierte etwas in
ihren Unterlagen. »Kommen Sie aus München? Ich hab das Auto draußen gesehen.«
Sie blickte auf. »Ja, ich hab den Wagen noch nicht umgemeldet. Bin
erst seit Kurzem in Passau.« Dann vertiefte sie sich wieder in die Akte.
»Ich, das heißt wir, also unsere Familie stammt ebenfalls aus
München. Wir wohnen jetzt zwar schon einige Jahre hier und fühlen uns wohl.
Geboren und aufgewachsen bin ich jedoch in München. Auch drei meiner Kinder
sind noch dort auf die Welt gekommen.«
Freundliches Desinteresse ihrerseits, ich konnte es jedoch nicht
lassen. »Wo in München haben Sie denn gelebt, wenn ich fragen darf?«
Man merkte der Kommissarin an, dass dies jetzt die letzte mir
zugestandene Erkundigung war. »In Haidhausen.« Sie schob ihre Unterlagen
zusammen und war im Begriff aufzustehen.
»In Haidhausen?! Da haben wir auch zuletzt gewohnt! So ein Zufall!
Wie lange waren Sie dort?«
»Fünfzehn Jahre ungefähr.«
»Oh, dann haben wir uns vielleicht damals schon zufällig getroffen.
In welcher Straße haben Sie denn gewohnt?«
Die Kommissarin hatte sich wieder zurechtgesetzt. Ich hatte ein
wenig von ihrer Aufmerksamkeit zurückgewonnen. »In der Sedanstraße.«
»Das darf ja nicht wahr sein! Unsere Wohnung lag in
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