Unguad
Autofahrt
überlegt, wie ich an meine Informationen kommen könnte. Dann los.
»Ich war bei Herrn Szabó in der JVA «, informierte ich sie
mit sorgenvoll zerfurchter Stirn.
»Wie geht es ihm?«
»Den Umständen entsprechend.« Ich holte Luft. »Und er hat mir
gesagt, dass er alle Tabletten mitbekommen hat, nur nicht die kleinen gelben
für die Prostatahyperplasie.«
»Wie bitte?«
»Na, ihm fehlen die für seine Prostatageschichte.«
Schwester Sieglinde holte die Patientenmappe aus dem Schreibtisch
und schaute hinein. »Aber Herr Szabó hat doch gar keine Schwierigkeiten mit der
Prostata.« Sie fuhr mit dem Finger die Spalte mit den verordneten Medikamenten
entlang. »Nein, nichts aufgeführt.« Sie sah mich fragend an.
Ich hob die Schultern. »Dann wird er sich wohl getäuscht haben. Kein
Wunder. Bei der Aufregung kann das leicht passieren.« Ich gab noch ein paar
Allgemeinplätze von mir und verabschiedete mich.
Also hatte der Szabó doch recht gehabt. Schwester Marion hatte ihm
heimlich Tabletten gegeben, die er gar nicht gebraucht hatte. Na, die konnte
was erleben!
Zwanzig Uhr
Der Restnachmittag ging mit hektischen Vorbereitungen rasend
schnell vorbei. Alle Kinder mussten antreten, und ich beauftragte jedes mit
speziellen Aufgaben. Linus musste mit dem Hund raus, Lilli die Zucchini aus dem
Garten holen und marinieren, Susa den Tisch decken und Vicky das Waschbecken im
Gäste- WC putzen und ein frisches Handtuch hinhängen. In solchen Krisenzeiten konnte ich
mich auf meine Kinder verlassen. Sonst halfen sie meist nur nach mehrmaliger
Aufforderung im Haushalt mit, aber sie waren ganz spitze, wenn es eilig war und
wir Besuch bekamen. Also flitzten wir alle hin und her. Martin bereitete seine
berühmten Hendl vor und heizte den Grill an.
Um fünf vor acht war alles fertig. Keine Minute zu früh, denn nun
trudelten nacheinander die Gäste ein. Als Erstes der Auftritt von Isabell mit
ihrem indischen Reissalat. Dann erschien Bernhard zusammen mit Heidemarie.
Schau, schau! Schwester Marion kam als Letzte. Chic gemacht in weißer
Leinenhose, ihre hellbraunen Haare in einer kunstvoll geflochtenen Frisur.
Martin machte ein etwas verdattertes Gesicht, als er sie begrüßte. Ich grinste
beide so natürlich an wie ein Holzfuchs.
Zusammen mit uns sechs waren wir also zehn Personen, die sich um
unseren großen Holztisch auf der Terrasse versammelten. Ich hatte kleine
farbenfrohe Papierlampions in den Trompetenbaum gehängt, der seine Äste
schützend über uns ausstreckte. Die Kerzen in den bunten Laternen verbreiteten
ein romantisches Licht. Ein lauer Abendwind wehte den Duft der nahen Rosen, des
Lavendels und der Wicken zu uns herüber. Es herrschte eine ganz entzückende Stimmung.
Wirklich rein zufällig und völlig unbeabsichtigt platzierte ich
Schwester Marion zwischen Martin und Isabell. Diese zwinkerte mir zu. Bernhard
und Heidemarie setzten sich wie selbstverständlich nebeneinander. Lilli nahm
neben Heidemarie, Linus neben Bernhard Platz, dann kamen Vicky, Susa und ich.
Ich schenkte Wein, Bier und Saft aus. Die Hähnchen waren fertig und wurden
verteilt. Die Schüsseln mit den Ofenkartoffeln und den Salaten gingen reihum.
Alles dampfte und duftete. Wir stießen an, einigten uns darauf, dass wir uns
alle duzten, und ließen es uns schmecken.
Jeder redete irgendwie mit jedem. Ich beobachtete, dass sich Marion
und mein Ehemann scheu in die Augen schauten und sie verlegen-kokett den
obersten Knopf ihrer Bluse immer wieder auf- und zuknöpfte. Aha. Hatte ich es
doch gewusst! Gemach, Karin, gemach! Isabell fing meinen glühenden Blick auf
und lächelte mir zu. Bald darauf krallte sie sich meine Konkurrentin und
verwickelte sie in ein intensives Gespräch. Martin unterhielt sich mit Bernhard
und Linus über die wechselhafte Geschichte unseres Schlosses. Ich schnappte den
Namen Rapoto auf. Ja, da konnte er jetzt mitreden, mein Herr Sohn. Mit dir habe
ich auch noch ein Hühnchen zu rupfen. Warte nur! Wegen des Alleinganges
bezüglich Ferienjob und deines nächtlichen Spionageausfluges. Bis jetzt war ich
noch nicht dazu gekommen.
Lilli erzählte Heidemarie von ihrem Referat, das sie über ein Thema
zum Dritten Reich vorbereiten musste. Anscheinend war Geschichte allgemeines
Tischgespräch. Sehr kultiviert, nicht wahr?
»Ich hab mir ›Lebensborn – Zuchtfabrik oder soziale Einrichtung?‹
ausgesucht«, erklärte meine Tochter ihr begeistert. Ich hörte ein bisschen zu,
da auf meiner anderen Seite Susa und Vicky
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