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Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
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in ein Nintendo-Spiel-Problem
vertieft waren. Nicht meine Liga.
    »Das waren die Heime damals, in denen deutsche Kinder auf die Welt
gekommen sind, die den arischen Gesetzen entsprochen haben. Also groß und blond
und blauäugig.«
    »Ich weiß.«
    »Und ich muss nun herausarbeiten, inwieweit das von oben bewusst
gesteuert wurde oder ob das wirklich nur eine Hilfe für alleinstehende Mütter
war. Ich finde es sehr interessant.«
    »Das kann ich mir denken.«
    »Ich hab schon dem Verein Lebensspuren e.V. geschrieben, damit
sie mir Infomaterial schicken.«
    Heidemarie verzog ein wenig verächtlich ihren Mund. »Das sind die
Verdränger. Als ob alles so schlecht gewesen wäre damals. Halte dich lieber an
jemanden, der wirklich Bescheid weiß. An einen Zeitzeugen.«
    Lilli war in ihrem Elan eingebremst. »Aber ich kenne niemanden, der
mir davon erzählen kann. Meine Großeltern mütterlicherseits sind nicht in
Deutschland aufgewachsen, und die väterlicherseits sind leider bereits
gestorben.«
    »Na, dann frag halt mich.«
    »Sind Sie so alt?«, platzte es etwas uncharmant aus Lilli heraus.
Aber Heidemarie nahm es humorvoll.
    »Ja, ich bin schon neunundsechzig Jahre alt.« Beinahe kess fuhr sie
sich über ihre blonden Löckchen. »Und ich bin in einem Lebensbornheim zur Welt
gekommen. Im Harz«, verkündete sie mit hocherhobenem Haupt.
    »Nicht möglich!«
    »Unglaublich!« Lilli und ich fielen aus allen Wolken.
    »Ich erzähle dir mit Vergnügen ausführlicher davon. Komm doch
einfach mal bei mir vorbei.«
    »Gerne!« Meine Große war Feuer und Flamme.
    »Ich hab sogar noch ein Foto von mir als Baby auf den Armen einer
Schwester. Eine Seltenheit. Es war damals eine große Zeit, auch wenn man
heutzutage der jungen Generation etwas anderes weismachen will.«
    Oh, was hörte ich da? »Wie meinst du das, Heidemarie?«
    Diese nahm ein kleines Gerät aus ihrer Tasche, das wie ein zu dicker
Kugelschreiber aussah und stach sich in einen Finger. Dabei redete sie einfach
weiter. »Nun, es lässt sich doch keinesfalls abstreiten, dass damals
Vollbeschäftigung herrschte und nicht so viele Verbrechen geschahen wie heute.
Ein Mädchen konnte sich unbekümmert auf die Straße trauen, ohne sich gleich der
Gefahr einer Vergewaltigung durch Ausländer auszusetzen.« Ich zog protestierend
meine Augenbrauen zusammen, aber Heidemarie bemerkte es nicht. Sie war damit
beschäftigt, einen Blutstropfen von ihrem Finger aufzunehmen und in die andere
Seite ihres Gerätes einzuführen.
    »Außerdem wird mir doch jeder zustimmen, dass das deutsche
Menschenbild wirklich ein sehr schönes ist. Groß gewachsen, tapfer, aufrecht,
blond und blauäugig. Mir gefällt das. Warum sollte man also nicht danach
streben, genau diesen Menschentyp vor allen anderen heranzuziehen.« Ihr Gerät
piepste, und sie schaute auf. »Entschuldigt mich bitte. Wo kann ich mich denn
für einen Moment zurückziehen? Ich muss mir eben Insulin spritzen, mein Wert
ist zu hoch.«
    »Geh doch einfach ins Wohnzimmer, wenn du willst. Lilli zeigt es
dir.«
    Na, damit hätte ich nicht gerechnet. Heidemarie ein alter Nazi! Dass
es so etwas heute unter intelligenten Leuten überhaupt noch gab, war mir ein
Rätsel. Auf jeden Fall wusste ich mit Sicherheit, dass ich meine Tochter nicht
zu ihr lassen würde. Nicht abzusehen, mit was für Flausen und Indoktrinationen
sie mir wieder nach Hause käme. Das würde zu heißen Diskussionen führen.
    Als die beiden zurückkehrten, lenkte ich das Gespräch in eine andere
Richtung. Heidemarie würde ich in ihrem Alter bestimmt nicht mehr bei einem
Streitgespräch am Gartentisch von der Irrsinnigkeit ihrer Gedanken überzeugen,
und mit Lilli musste ich morgen mal in aller Ruhe darüber reden.
    Alle hatten das Essen gelobt. Ich stand auf, stellte die Teller
zusammen und forderte meine Kinder mit einem Blick auf, mir zur Hand zu gehen.
So entstand eine Geschäftigkeit, die die Gäste dazu animierte, ihre Hilfe
anzubieten.
    »Nein, nein, bleibt bitte sitzen. Wir machen das schon. Danke.«
    In der Küche bestückten die einen den Geschirrspüler, die anderen
holten kleine Teller, Löffel und die Nachspeise, ich bereitete für alle
Espresso zu. Als meine Mädels die ersten Teller nach draußen trugen und die
Küchentür wieder zugefallen war, blieb Linus mit der Dessertschüssel in der
Hand bei mir stehen. Ich bediente gerade die Espressomaschine, es zischte und
dampfte. So merkte ich erst, dass er noch da war, als er mich anredete.
    »Warum hast du die

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