Unguad
Haaransatz.
»Na, dann kann man nichts machen. Hier ist meine Karte. Falls dir
noch etwas auffällt, wäre es nett, wenn du mich anrufen würdest.« Sie lächelte
den beiden zu und ging zum Auto zurück. Beim Einsteigen fragte sie ihren
Kollegen: »Na, Hans, wann warst du das letzte Mal so verliebt?«
Er grinste. »Mit siebzehn wahrscheinlich.«
Der Polizeiwagen bog um die Ecke. Linus und Anna waren schon wieder
in ihren rosaroten Kokon eingetaucht. So bemerkten sie nicht, dass sich die
Gardine von Heidemarie Wielands Fenster bewegt hatte.
Zwanzig Uhr fünfundzwanzig
Auch bei Herrn Hecker konnten die Polizisten niemanden
antreffen. Deshalb schickte Frau Langenscheidt ihren Kollegen nach Hause. Für
eine Fahndung hatten sie noch zu wenig in der Hand. Sie selbst wollte dieser
Karin Schneider auf den Zahn fühlen. Zwar hatte sie die heutige Verabredung
abgesagt, aber sie wollte einfach mal vorbeifahren. Vielleicht hatte sie Glück.
Als sie bei Schneiders klingelte, öffnete Linus. Was will die denn
hier?, war aus seinem Blick zu lesen. Frau Langenscheidt musste unwillkürlich
lächeln.
»Hallo, Linus. Ist deine Mutter zu Hause?«
»Nein, tut mir leid. Sie ist gerade mit dem Hund weg.«
»Wann wird sie denn wieder zurück sein? Meinst du, ich kann hier auf
sie warten?«
Linus zog die Haustür weiter auf. »Bestimmt. Es kann nicht lange
dauern. Bitte kommen Sie herein.«
Zwanzig Uhr dreißig
Um halb neun drehte ich wie üblich meine Runde mit Runa. Auf dem
Waldweg beim Freilinger Straßerl standen zwei Autos und ein Mofa, die übliche
Anzahl von Fahrzeugen für den Abend. Das hieß aber noch lange nicht, dass uns
jemand begegnen musste, der Wald war weitläufig.
Ich ging los. Hier konnte ich in Ruhe über alles nachdenken. Heute
hatte ich so viele widersprüchliche Dinge gehört, mir schwirrte immer noch der
Kopf. Ich konnte mich nicht entscheiden, wem ich glauben sollte.
Zehn Minuten vor neun war ich wieder am Auto. Wollte aufsperren,
bemerkte aber, dass ich gar nicht zugeschlossen hatte. Das passierte mir
manchmal. Man machte das so automatisch, da wusste man oft nicht, hatte ich
oder hatte ich nicht. Meine Kinder amüsierten sich häufig über mich, wenn ich
abermals zum Wagen zurückging, um nachzusehen, und es war natürlich
abgeschlossen. Na ja. Das Gedächtnis. Ich befürchtete, dass es bei mir jetzt
ebenfalls anfing und ich bald wie meine Mutter enden würde. Kein schöner
Gedanke.
Eilig öffnete ich den Kofferraum und die Gittertür der Hundebox.
Runa fuhr nicht gerne Auto, sträubte sich immer, einzusteigen. Heute zierte sie
sich noch mehr als sonst. Fing sogar zu knurren an, und ihr Fell stand am
Nacken steil in die Höhe.
»Runa, jetzt spinn nicht. Ich habe keine Zeit für deine Mätzchen.«
Damit nahm ich sie kurzerhand hoch und steckte sie in ihre Box. Sie machte dort
mächtig Krach. Knurrte und bellte.
»Runa, leise!« Ich schloss den Kofferraum. Ein Regentropfen fiel auf
meinen Kopf. Das auch noch! Ich schaute in den dunklen Himmel, eilte dabei nach
vorne und setzte mich flott ans Steuer. Ach, die Lampe über dem Spiegel, die
automatisch anging, wenn man die Tür öffnete, war auch schon wieder kaputt.
Egal, ich fand das Loch für den Zündschlüssel auch im Halbdunkel.
Meine Hündin hatte anscheinend ein altes Leckerli gefunden, das ich
früher mal als Belohnung fürs Einsteigen in ihre Box geworfen hatte, denn sie
kaute gierig, murrte noch ein bisschen, und war dann still.
»Na, geht doch, Mausebär«, lobte ich sie.
Nun aber nichts wie heim. Ich bog vom Waldweg auf die Straße nach
Kirchmünster. Da es ziemlich duster war, schaltete ich die Scheinwerfer ein.
Obwohl gerade der längste Tag im Jahr gewesen war, war es jetzt bereits richtig
dämmrig. Möglicherweise zu viele Wolken. Und die hohen Bäume rechts und links.
War denn für heute Regen angesagt?
Mit meinen Gedanken war ich bei den Ereignissen der letzten Tage,
als ich mich über den widerlichen Geruch hier im Auto wunderte. »Hast du
gepupst, Runa?«, fragte ich rhetorisch. Ich öffnete das Fenster einen Spalt,
damit der Gestank abziehen konnte. Vielleicht sollten Martin und ich mal wieder
ein paar Tage wegfahren. Ich würde Paul fragen, ob er auf die Rasselbande
aufpassen mochte. Das hatte er schon öfter gemacht. Nun fing es zu tröpfeln an.
Doch kein lauer Sommerabend auf der Terrasse. Schade.
Es war wenig Verkehr. Bei diesem Wetter waren keine Ausflügler mehr
unterwegs. Was war das? Ich meinte, in meinem Rücken
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