Unheil
ihn erträgliches Maà vergröÃert hatte, und Conny verspürte
einen dünnen, überraschend schmerzhaften Stich. Auch sie mochte es nicht, wenn
jemand ihre Fluchtdistanz unterschritt ⦠aber Trausch hatte da bisher eine
Ausnahme gebildet, und irgendwie hätte sie erwartet, dass es ihm umgekehrt mit
ihr genauso erging. Was offensichtlich nicht der Fall war.
»Vor einer Stunde hätte ich Ihnen noch recht gegeben«, sagte er,
»jetzt allerdings nicht mehr.«
»Und wieso?«
»Sie glauben doch nicht wirklich an einen Zufall, Conny.« Er klang
beinahe mitleidig. »Die beiden hatten es auf Sie abgesehen, und ich wette um alles,
was mir heilig ist, dass diese Mail von ihnen stammt â oder jemandem, der mit
ihnen unter einer Decke steckt. Ich nenne das eine Spur.«
Conny nicht. Für sie hörte es sich eher nach dem berühmten Strohhalm
an, an den er sich klammerte.
»Und dann sind Sie sofort losgefahren, um mich zu warnen. Wenn wir
nicht zufällig Kollegen wären, dann würde ich das ziemlich süà finden.«
»Zu viel der Ehre«, antwortete er. »Eichholz hat mich losgeschickt.«
»Weil er plötzlich so in Sorge um mich war?«
»Ob Sie es glauben oder nicht, ja«, antwortete Trausch. Bildete sie
es sich nur ein, oder rückte er tatsächlich noch ein Stück weiter von ihr weg?
»Er war in Sorge um Sie.«
Er wartete gerade lange genug, um sich an dem verblüfften Ausdruck
zu weiden, der auf ihrem Gesicht erschien, und fuhr dann im gleichen Tonfall
fort: »Das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können, ist eine tote Polizistin.«
»Sogar, wenn ich es bin?«
Immerhin gelang es ihr damit, ihn wenigstens für einen Moment aus
der Fassung zu bringen; wenn auch vielleicht nicht so, wie sie es sich
vielleicht gewünscht hätte. »Sie scheinen immer noch nicht zu verstehen,
Conny«, sagte er ärgerlich.
» Was zu verstehen?«
»Dass Sie so dicht davon entfernt sind,
ganz oben auf der Liste der Verdächtigen zu stehen.« Trausch deutete zwischen
Daumen und Zeigefinger einen Abstand von vielleicht zwei Zentimetern an. Dann
fügte er etwas hinzu, was ihr wirklich wehtat. »Und
nicht nur bei Eichholz.«
»Und warum?«, fragte sie kühl.
»Nicht weil irgendjemand glaubt, Sie hätten etwas mit den Morden zu
tun«, antwortete er. »Doch da sind eine Menge Ungereimtheiten, und das muss ich
Ihnen nicht erklären. Eichholz glaubt, dass Sie etwas verschweigen.«
»Und was?«
»Wenn er das wüsste, wüsste ich es auch, und wenn ich es wüsste, würden
wir dieses Gespräch nicht führen«, antwortete er ungerührt.
»Aber Sie sind auch nicht ganz sicher?«
Trausch lächelte zwar, aber sie bekam nicht die Antwort, die sie
sich erhofft hatte. »Sagen wir: Ich bin nicht ganz sicher, ob Sie vielleicht
gar nicht wissen, dass Sie etwas wissen.«
»Aha«, machte sie.
»Es ist nur ein Gefühl«, fuhr er fort. »Vielleicht nicht einmal das ⦠aber ich weià nicht, ob Sie das jetzt wirklich hören wollen.«
»Nur zu«, erwiderte Conny. »Ich glaube nicht, dass mich heute noch
viel erschüttern kann.«
Trausch war in diesem Punkt ganz offensichtlich anderer Meinung,
aber er antwortete trotzdem: »Das erste Opfer war die Tochter Ihrer Freundin.
Das allein bedeutet gar nichts, ich weiÃ. Jetzt ist Sylvia tot, und Aisler hat
gezielt versucht, Sie umzubringen.« Er rollte wieder
zu seinem Schreibtisch zurück, zog eine andere Schublade auf und nahm ein
rechteckiges Blatt Papier heraus, das sie erst erkannte, als er es umdrehte. Es
war das Polaroidfoto aus dem Ãberwachungswagen, das er aus ihrer Wohnung
mitgenommen hatte.
»Ich habe lange darüber nachgedacht«, sagte er. »Und ich glaube
Ihnen.«
»Das ist schön«, antwortete Conny. »Und was?«
»Nicht, dass auf diesem Bild tatsächlich ein Vampir zu sehen ist
oder der Hund von Baskerville oder das Ungeheuer von Loch Ness. Wenn Sie mich
fragen, ist es schlicht und einfach ein beschissener Ausdruck.« Er schnippte
das Bild in die Schublade zurück und schob sie zu. »Aber ich glaube Ihnen, dass
es sich dort unten wirklich so zugetragen hat, wie Sie erzählt haben, und
nicht, wie Eichholz es gerne hätte. Dieser Kerl hatte es auf Sie abgesehen.
Nicht auf irgendjemanden. Nicht auf irgendeine Frau oder irgendeinen
Polizisten,
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