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Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers

Titel: Unheil - Warum jeder zum Moerder werden kann Neue Faelle des legendaeren Mordermittlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Wilfling
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und erwies sich als Glückstreffer.
    Monate später hatte ich im Frauengefängnis Aichach in anderer Sache zu tun. Bei dieser Gelegenheit suchte ich auch Klara auf, die sich über meinen Besuch sehr freute. Sie hatte sich verändert, und – so unglaublich es klingt – sie schien glücklich zu sein. Endlich, so berichtete sie mir freudestrahlend, habe sie in der Gefängnispsychologin jemanden gefunden, der ihr helfen würde, die »Sachen« zu verarbeiten. Nach eineinhalb Jahren wurde Klara auf Bewährung entlassen. Sie war ein anderer Mensch geworden.
    Wiederum Monate später traf ich sie rein zufällig erneut. Sie hatte eine gute Arbeitsstelle gefunden, einen jungen, netten Freund und wirkte glücklich. Das war einer der Momente, in dem ich dachte: Manchmal werden eben aus Opfern Täter, und aus Tätern werden Opfer.

Weniger Morde – bessere Menschen?
    Die Zahl der Opfer von versuchten und vollendeten Tötungsdelikten in der Bundesrepublik Deutschland ist in den letzten 17 Jahren drastisch gesunken, und zwar von 1465 im Jahre 1993 auf 814 im Jahre 2010. Das ist ein Rückgang um fast 45 Prozent, obwohl die Bevölkerungszahl – wenn auch nur geringfügig – in dieser Zeit um 5 Prozent von knapp 78 auf 82 Millionen gestiegen ist. Diese erfreuliche Entwicklung im Deliktbereich »Mord und Totschlag« erstaunt umso mehr, als die Gesamtkriminalität im selben Zeitraum kontinuierlich von 4,5 Millionen registrierten Straftaten auf fast 6 Millionen anwuchs.
    Es stellt sich die Frage, warum ausgerechnet das schwerste aller Verbrechen so stark rückläufig ist? Sind wir bessere, tolerantere Menschen geworden? Sind wir weniger aggressiv und gewalttätig als früher? Oder weniger habgierig, egoistisch und rücksichtslos? Ist es die Folge des seit Langem anhaltenden sozialen Friedens und des allgemeinen Wohlstands? Greifen vielleicht gesetzliche Veränderungen, konsequenteres Vorgehen gegen Wiederholungstäter oder staatliche und private Initiativen, Hilfsprogramme und Projekte?
    Fragen, die man eigentlich Soziologen, Philosophen oder Kriminologen stellen müsste. Falls man überhaupt Antworten erhält, handelt es sich meist um teils widersprüchliche, rein theoretische Betrachtungen über das Gute und Böse und die Erkenntnis, dass die menschliche Psyche noch immer unergründlich ist. Oder man wird mit nackten, unkommentierten Zahlen überhäuft. So bleibt nur eine Alternative: die Orientierung an der Realität. Gemeint ist der schlichte Vergleich von dem, was war, mit dem, was ist. Nur so erkennt man Veränderungen, Entwicklungen und Strömungen. Aus den Unterschieden kann man Rückschlüsse ziehen und vielleicht sogar einen Ausblick in die Zukunft wagen.
    Als ich 1987 meinen Dienst bei der Mordkommission München antrat, hatten die vollendeten Tötungsdelikte (Mord und Totschla g ) mit 37 Fällen innerhalb eines Jahres und die der versuchten mit 54 den höchsten Stand der Nachkriegszeit erreicht, klammert man die unmittelbaren Nachkriegsjahre 1945 bis 1950 ( 375 Morde) aus. Eine besorgniserregende Entwicklung, die nicht nur auf München beschränkt, sondern im gesamten damaligen Westdeutschland festzustellen war. Nachdem die Zahl der Tötungsdelikte in den 1960er-Jahren zunächst stark gesunken war, begann sie in den 1970er- und 1980er-Jah ren stetig anzusteigen und pendelte sich bis weit in die 1990er-Jahre auf einem hohen Level ein. Auffallend waren in dieser Zeit die relativ häufigen Morde an homosexuellen Männern, an Prostituierten und älteren Frauen.
    Dann begann die kontinuierliche Abnahme, die sich teils einfach erklären lässt, oft aber auch Rätsel aufgibt. Was die häufigen Morde an Prostituierten oder »Gelegenheitsprostituierten« beispielsweise betraf, so hing der plötzliche und starke Rückgang – der übrigens bis heute anhält – zweifelsfrei auch mit dem Abzug jener amerikanischen Truppen zusammen, die nach ihren Einsätzen in Vietnam in Deutschland zwischenstationiert waren. Fest steht jedenfalls, dass es danach kaum noch Morde an Prostituierten gab und dass diese einst so schwierig zu klärenden Verbrechen heutzutage möglicherweise auch deshalb so selten sind, weil es kaum noch die »wilde« Wohnungsprostitution gibt, sondern die Frauen unter fester Kontrolle stehen. Wobei sich natürlich andere Felder der Kriminalität auftun, Zuhälterei und Menschenhandel beispielsweise.
    1998 unterschritt die Zahl der Delikte die 1000er-Grenze. Im Jahr 2001 gab es erstmals weniger als 1000 Opfer zu beklagen.

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