Unheil
war. Mit einem Anfeuerungsschrei jagten zwei von ihnen ihm nach, während die beiden anderen es vorzogen, in die andere Richtung zu laufen und sich in den Büschen zu verstecken, bis der Lastwagen vorbeigefahren war. Der zur Versetzung vorgesehene Rekrut verfolgte ihn besonders hartnäckig; die Mißhandlungen, die er und seine Kumpane dem Offizier zugefügt hatten, waren ihm noch nicht genug, und er dachte nicht daran, den Hauptmann so leicht davonkommen zu lassen.
Summers stolperte über das freie Feld, beflügelt von Panik. Die dumpfen Tritte der Stiefel im Gras hinter ihm verliehen im neue Kräfte, und ohne zu sehen, wohin er lief, rannte er in einen Stacheldrahtzaun. In der Dunkelheit konnte er die Warntafeln nicht sehen, die in regelmäßigen Abständen vor dem Stacheldrahtzaun standen, und hätte wahrscheinlich auch nicht auf sie geachtet — sein Schrecken war stärker als jede Vernunft. Er schrie, als der Stacheldraht ihm die Wange aufriß, hörte hinter sich erneut Rufe und Flüche, zwängte sich durch den Zaun, riß sich Uniform und Fleisch auf und rannte Hals über Kopf in das Minenfeld.
Der Junge hinter ihm sah die Warnschilder in seinem Jagdeifer ebensowenig, folgte ihm durch den Stacheldrahtzaun und zog ein Messer aus der Hosentasche. Er wußte, daß er seine Beute jetzt bald einholen würde. Sein Kamerad erkannte die Gefahr, blieb zurück und rief ihm eine Warnung nach, aber der Junge war Summers schon zu nahe. Der Hauptmann war gestürzt, hatte abwehrend einen Arm ausgestreckt und bettelte in undeutlichen Lauten um Schonung.
Der Junge grinste häßlich. Es spielte keine Rolle, daß der Schwule ihn erkannt hatte. Eigentlich hatte er gar nicht so weit gehen wollen, aber nun fiel ihm die Entscheidung leicht. Bald würde er in Nordafrika sein und wahrscheinlich in diesem elenden Krieg fallen, also mußte der Hauptmann dafür bezahlen. Kein Mensch würde wissen, wer es getan hatte. Er war als Warmer bekannt gewesen, und Warme lebten gefährlich. Es konnte jeder gewesen sein. Er hob das Messer zum Zustoßen so, daß der Offizier es deutlich sehen konnte und genoß den angstgelähmten Ausdruck im Gesicht seines Opfers. Grinsend kam er näher.
Die Explosion zerfetzte ihm die Beine und schleuderte seinen Körper in die Luft, als wäre er ein vom Wind davongetragenes Blatt. Der Hauptmann wurde vom Luftdruck zurückgeworfen, und als er versuchte, sich hochzustemmen, wollte der rechte Arm nicht gehorchen. Er sah nach und registrierte mit dumpfem Entsetzen, daß sein Unterarm nicht mehr da war.
Sie fanden ihn kurze Zeit später in der Nähe des zerrissenen Körpers des Rekruten; er saß mitten im Minenfeld und drückte mit der linken Hand die Arterie seines rechten Armes zu, von dem unterhalb des Ellbogens nur ein blutiger Stumpf geblieben war.
Im Kasernenbereich wußten bald alle, was geschehen war, obwohl die Angelegenheit nach den ersten Ermittlungen vertuscht wurde. Die Aufregung war groß gewesen, und Hodges hatte sie zusammen mit tausend anderen ausgekostet. Summers hatte seinen Abschied bekommen, aber aus medizinischen Gründen; ein einarmiger Hauptmann war schließlich nur begrenzt einsatzfähig.
Hodges war zu seinem Bedauern ein paar Monate später eingeschifft worden und hatte den Vorfall bald vergessen, da sein schwacher Verstand sich ganz aufs Überleben konzentrierte. Erst vor fünf Jahren, als er den neuen stellvertretenden Direktor in Mr. Haywards Arbeitszimmer gesehen hatte, war es ihm wieder eingefallen. Summers hatte ihn natürlich nicht erkannt, aber der fehlende rechte Arm, die dünne Gestalt, das nervöse Gehabe hatten die Episode in seinem Gedächtnis wieder wachgerufen. Er hatte überlegt, ob er den Direktor unterrichten sollte; schließlich gehörte solch ein Mann nicht an eine Jungenschule. Zu guter Letzt hatte er sich dagegen entschieden: das Wissen ließ sich vielleicht einmal zu seinem Vorteil nutzen. Nun, darin hatte er recht behalten — wie der heutige Tag bewies. Bisweilen hatte es ihm Spaß gemacht, Summers gegenüber anzudeuten, daß er über seine Vergangenheit im Bilde sei. Nichts Direktes natürlich, bloß eine gelegentliche, scheinbar beiläufige Bemerkung über seine Militärzeit, den Krieg und die eigentümlichen Dinge, die man damals hatte erleben können. Seine Andeutungen waren so subtil wie ein Tritt in den Unterleib, aber Summers pflegte solche Bemerkungen nur mit einem verachtungsvollen Blick zu quittieren, als ob er, Hodges, etwas wäre, was der Hund am Wegrand
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