Unheil
alte Schule aber zu sehr liebte, um sie sich selbst zu überlassen. Und weil er nach all den Jahren Angst davor hatte, sie zu verlassen. Das Kuratorium der Schule hatte ihn während der letzten Jahre wiederholt gedrängt, in den Ruhestand zu gehen, empfand aber zu viel Mitleid und auch Dankbarkeit für den alten Mann, als daß es ihn hätte zwingen wollen. Die Kuratoriumsmitglieder hatten vorgeschlagen, daß er einen neuen Stellvertreter einstelle, nachdem der alte vor zwei Jahren gestorben und nicht ersetzt worden war. Hayward hätte gern einen viel jüngeren Mann für die Aufgabe ausgewählt, vielleicht einen tüchtigen Pädagogen Ende Zwanzig, denn so alt war er selbst gewesen, als er in die Schule eingetreten war, unverbraucht und voller Ideen und bereit, Experimente zu machen. Aber solche Lehrer waren für eine Schule wie diese schwierig zu finden. Ein teures Internat für die Sprößlinge reicher Familien mußte notwendigerweise eine konservative, elitäre Grundeinstellung vermitteln, wenn es Ruf und Ansehen als Privatschule bewahren wollte, aber der Zeitgeist brachte es mit sich, daß die jüngeren Lehrer andere Vorstellungen hatten. Sie interessierten sich mehr für moderne, experimentierfreudige Schultypen, wo weniger Wert auf die mühsame erzieherische Arbeit an den Schülern gelegt wurde. Und Mr. Summers war ihm von einem der Kuratoriumsmitglieder wärmstens empfohlen worden.
Summers hatte im Zweiten Weltkrieg als Hauptmann gedient und dabei einen Arm verloren. Er sprach nie über seine Verletzung oder wie es passiert war. Tatsächlich sprach er kaum jemals von seinen Kriegserlebnissen, und noch weniger von seiner Laufbahn als Lehrer. Obwohl Hayward von den engstirnigen erzieherischen Theorien seines Stellvertreters enttäuscht war. Von den Jungen wegen seiner Strenge gefürchtet, war er jedoch mit Leib und Seele Erzieher, der Schule ein interessierter und hingebungsvoller Mitarbeiter, und würde zweifellos eines Tages seine Position als Direktor übernehmen. Nur sein Hang zu kleinlicher Kritik war oft schwer zu ertragen.
Summers hatte das Busunglück zu einer großen Affäre hochgespielt, Hodges voll verantwortlich gemacht und seine sofortige Entlassung verlangt. Die Schuld liege allein bei Hodges, hatte er den Direktor unterrichtet, weil er im gefährlichen Nebel viel zu schnell gefahren sei, um den Jungen zu imponieren. Er sei ohnedies zu freundlich zu den Jungen.
Als Hayward den unglücklich aussehenden Busfahrer, der zugleich Hausmeister, Gärtner und Mädchen für alles im Internatsbereich war, zur Rede gestellt hatte, hatte Hodges zugeben müssen, daß es so gewesen sei, hatte dem stellvertretenden Direktor dann aber in gehässigem Ton gewisse Neigungen unterstellt. Wegen dieser Andeutungen entschloß sich Hayward, Hodges zu entlassen, nicht wegen des Mißgeschickes im Nebel, das freilich auch ernstere Folgen hätte haben können. Er konnte nicht zulassen, daß der Mann herumging und diese unerwiesenen Behauptungen über ein Mitglied des Lehrkörpers verbreitete. Was Summers betraf, so war Hayward nicht gewillt, ihn zu befragen; es wäre für sie beide zu peinlich gewesen. Aber er beschloß, ihn im Auge zu behalten.
Und morgen wollte er Hodges die Kündigung aussprechen und ihn mit aller gebotenen Deutlichkeit auffordern, keine bösartigen Verleumdungen auszustreuen, die ihn nur vor Gericht bringen würden. Er dankte Gott, daß der Unfall glimpflich abgegangen war; keiner der sechsunddreißig Jungen, die mitgefahren waren, hatte ernste Verletzungen erlitten. Ein paar blaue Flecken da und dort, mehr hatte es nicht gegeben. Nur der unselige Hodges hatte sich den Kopf aufgeschlagen, doch schien sogar er, nach einer guten Nachtruhe, körperlich ganz wiederhergestellt. Es war ein Jammer, daß er den Mann entlassen mußte, dachte Hayward seufzend, da er eingearbeitet war und sich auskannte, aber gute Pädagogen waren schwerer zu ersetzen als Hausmeister.
Hodges saß auf dem zerbrochenen alten Armstuhl in dem Kellerlagerraum, den er sein Büro nannte, und schlürfte seinen dunklen Tee. Er goß etwas Scotch in die Blechtasse und verrührte ihn mit dem heißen Getränk. Mehrere Male grunzte er, bewegte die Schultern und schnalzte, während er in sein Gebräu starrte.
Damit hat er sich endgültig ins Aus manövriert, sagte er sich mit einem Grinsen. Dachte, er könnte mich in Schwierigkeiten bringen, wie? O ja, ich habe den Spieß umgedreht, nicht wahr? Plötzlich wieherte er laut und schlug sich auf
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