Unheil
Ronnie, um zu erfahren, ob diese Wohnungen zu erschwinglichen Preisen wisse. Ihre Freundin schrieb zurück und schlug vor, bei ihr zu wohnen, bis sie etwas gefunden habe. So war Mavis, ein wenig nervös und ängstlich vor der Größe der riesigen Stadt, zu Ronnie gezogen. Ronnie holte sie am Bahnhof ab, und Mavis bewunderte stumm ihre einstige Freundin, denn Ronnie hatte sich zu einer schönen, charmanten jungen Frau entwickelt — jedenfalls an der Oberfläche. Mavis sollte bald lernen, daß sie diese Pose für Leute annahm, die sie nicht sehr gut kannte, und dazu gehörte für kurze Zeit auch Mavis.
Mavis war verblüfft von Ronnies großem Freundeskreis und bemühte sich verzweifelt um Anpassung an ihre zynische und blasierte Einstellung dem Leben gegenüber, aber schon nach wenigen Wochen erkannte sie, daß sie sich niemals würde ungezwungen in diese Gesellschaft einfügen können. Sie fand ihre Werte unecht, ihre Ideale oberflächlich.
Es war Mavis unangenehm, eine Bürde für ihre Freundin zu sein, die unter ihrer Fassade dasselbe verständnisvolle, einsame Mädchen geblieben war, das sie einst gekannt hatte, und suchte nach einer eigenen Wohnung. Deprimiert und enttäuscht von den schlechten Angeboten, die sie erhalten hatte, brach sie eines Abends nach der Rückkehr von weiteren fruchtlosen Expeditionen im Wohnschlafzimmer zusammen. Wohnungen, die ihr gefallen hatten, überstiegen weit ihre finanziellen Möglichkeiten; diejenigen, die sie sich leisten konnte, waren schäbig und heruntergekommen. Im Londoner Nieselregen war sie bis auf die Haut durchnäßt worden, und bei den ersten freundlich mitfühlenden Worten ihrer Freundin war das ganze Elend ihres Daseins aus ihr hervorgebrochen.
Ronnie hatte auf der Armlehne des Sofas gesessen, auf dem Mavis kauerte, hatte ihrer bekümmerten Freundin den Arm um die Schultern gelegt und ihr gesagt, sie solle sich nicht sorgen, sie würden später schon etwas finden. Sie riet ihr, die nassen Sachen auszuziehen, schnell ein heißes Bad zu nehmen und ins Bett zu gehen, sie wolle ihr einen heißen Grog bringen. Nachdem sie noch eine Weile geweint und Ronnie ihr sanft übers feuchte Haar gestrichen hatte, riß sie sich zusammen, lächelte dankbar durch die Tränen und ging in das winzige Zimmer, das als zweites Schlafzimmer diente. Während Ronnie das Bad für sie einlaufen ließ, zog sie ihre nassen Sachen aus und ließ dann in der Wanne das heiße Wasser ihren Körper wärmen und ihre Nerven beruhigen. Sie seifte sich ein, wusch das Haar und trocknete sich schließlich mit einem von Ronnies luxuriösen Handtüchern ab. Ihre Freundin hatte sich herausgemacht, seit sie nach London gezogen war. Nachdem sie als Sekretärin für den Vorsitzenden einer amerikanischen Gesellschaft gearbeitet hatte, war sie seine persönliche Assistentin geworden. Die Wohnungsmiete mußte ziemlich hoch sein, wenn die Preise der bescheidenen Wohnungen, die sie gesehen hatte, als Maßstab dienen konnten. Ihre Kleider waren teuer, und der Umfang ihrer Garderobe riß Mavis zu staunender Bewunderung hin. Aber sie war im Grunde noch immer dieselbe liebe Freundin, die Mavis vor all den Jahren gekannt hatte.
Sie ging in ihr Zimmerchen und hörte Ronnies Stimme aus der Küche rufen: »Leg du dich ins Bett, und ich bring dir eine Tasse heiße Schokolade und den steifen Grog, den ich dir versprochen habe!«
»Danke!« rief Mavis zurück, nahm das Handtuch vom nassen Haar und rieb sich den Kopf trocken. Sie bürstete das Haar aus, bis es ihr lang und glatt über die Schultern fiel und legte den Morgenmantel ab, um das Nachthemd überzustreifen. Als sie sich im Spiegel des Kleiderschrankes sah, schimmerte ihr rosiges Fleisch rund und glatt im weichen Lichtschein der Leselampe. Sie war zufrieden mit ihrer Figur, die zwar nicht atemberaubend war, doch fest und nicht zu mager, weiblich, aber gewiß nicht fett. Mit den Händen strich sie über ihre Flanken abwärts und von den Hüften über den Leib aufwärts zu den Brüsten. Als ihre Hände über die sanften Schwellungen glitten, merkte sie, daß Ronnie sie von der Tür aus beobachtete.
Sie ließ die Hände sinken und errötete, weil sie fühlte, daß ihre Brustwarzen fest geworden waren.
»Dein Körper ist wunderschön«, sagte Ronnie leise.
Mavis wurde noch verlegener. »Oh, ich bin keine Venus, aber ich glaube, er ist in Ordnung.«
»Er ist schön.« Ronnie kam herein und stellte das Tablett mit heißer Schokolade und zwei Grogs auf den Nachttisch.
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