Unheil
Finger eindrangen. Sie umklammerte Ronnie und gab endlich ganz der Leidenschaft nach, die in ihr geweckt worden war, begierig darauf, berührt und liebkost zu werden. Ihre Finger zupften und zerrten an Ronnies Bluse, bis sie die Brüste fanden, deren Berührung Ronnie so geduldig erwartet hatte, denn nun begehrte sie den Körper der Freundin so sehr wie sie gewünscht hatte, daß Ronnie sie begehre.
Auch Mavis Hand glitt jetzt abwärts, bis sie zwischen den Beinen der Freundin angelangt war. Ihrer Liebhaberin! Der Gedanke verstärkte ihr Verlangen so, daß es fast unerträglich wurde; bald verzehrten sich ihre Sinne in Leidenschaft, und ihre Schreie verschmolzen in einem langen, bebenden Stöhnen.
Sie blieben zusammen im Bett und redeten bis in die frühen Stunden des neuen Tages, beide konnten nicht schlafen, beide waren bestrebt, Geist und Körper der anderen zu erforschen. Sie liebten einander in dieser Nacht noch mehrere Male in verschiedener Art und Weise, und dann besprachen sie die Überlegung, daß sie jetzt Lesbierinnen seien, vermochten dabei aber weder Schuldgefühle noch Scham zu empfinden. Ronnie gestand traurig, daß sie früher schon Affären mit Frauen gehabt habe, aber keine habe ihre Empfindungen so stark berührt wie diese, keine war mehr als ein Mittel zur Befriedigung der Sinne gewesen. Mavis bekannte, daß sie nur einmal mit einem Mann geschlafen habe, und obwohl ihr das Spaß gemacht habe, sei die Begegnung emotional ohne Bedeutung geblieben. Beide waren gerührt von ihren beidseitigen Enthüllungen und beide erkannten, daß sie etwas Einzigartiges gefunden hatten.
Zwei Jahre waren Ronnie und Mavis dann glücklich gewesen. Sie hatten ihr Leben miteinander geteilt, nicht ein Leben als Mann und Frau, sondern eines als Liebende; keine von beiden hatte eine Neigung verspürt, die maskuline Rolle zu übernehmen, diese Art von Beziehung war es nicht. Ihre Liebe schloß alle Hilfsmittel der Lust aus; sie erlangten Befriedigung allein durch den Körper der anderen, beide bewahrten ihre Weiblichkeit und betrachteten ihre Intimität als etwas Reines und Schönes.
Dann aber, vor erst zwei Wochen, war eine Veränderung über Ronnie gekommen, rasch und erschreckend. Sie hatte Mavis Liebkosungen abgewehrt, hatte sich, unfähig, die Ursache ihrer mürrischen Stimmungen zu enthüllen, in langes, brütendes Stillschweigen geflüchtet. Mehrere Nächte war sie fortgeblieben und hatte sich geweigert, Mavis zu sagen, wo sie gewesen war, bis sie am letzten Abend, nachdem sie drei Tage hintereinander ausgeblieben war, in die Wohnung zurückkehrte und ihrer Freundin niedergeschlagen eröffnete, daß sie sie nicht mehr liebe, daß sie jemand kennengelernt habe, der verborgene Ängste beseitigt und sie zu der Einsicht gebracht habe, daß die körperliche Liebe zwischen Mann und Frau ein wundervoller und zutiefst bewegender Akt sei. Ja, sie habe sich in einen Mann verliebt und diesem Mann erlaubt, mit ihr zu schlafen.
Ronnie hatte bitterlich geweint und Mavis erklärt, daß sie es nicht habe dazu kommen lassen wollen, doch Philip sei so freundlich und sanft gewesen, daß ihre Hemmungen gegenüber Männern dahingeschmolzen seien und die Vereinigung, wie es scheine, ihren Körper gereinigt hätte. Diese letzten Worte schmerzten Mavis schrecklich. Gereinigt! War ihre Liebe schmutzig gewesen? War ihr Zusammensein, waren ihre Umarmungen abstoßend gewesen? Sie hatte Ronnie angeschrien, sie gebeten, sie nicht zu verlassen, sie sogar auf den Knien angebettelt. Aber sie war zurückgestoßen worden, heftig, und diese Heftigkeit war es, die sie am tiefsten traf und den Teil von ihr noch mehr verletzte, der sich geweigert hatte, die Zurückweisung durch ihre Liebhaberin zu akzeptieren. Ronnie hatte früher niemals körperliche Gewalt angewendet, diesmal aber hatte sie Mavis von sich gestoßen, als könne nur diese körperliche Gewaltsamkeit das Zerreißen ihrer Bindung hinreichend verdeutlichen. Mavis war erneut zu ihr gekrochen, hatte in ihrer eigenen Scham geweint und versucht, die Arme um sie zu legen, ihren Kopf an Ronnies Brust zu bergen. Ronnie hatte ihr das einen Augenblick erlaubt, aber als Mavis Hand mit einer verzweifelten Anstrengung, die frühere Nähe zurückzubringen, weitergewandert war, war Ronnie aufgesprungen, hatte Mavis zu Boden gestoßen und geschrien, daß sie sie nie wieder berühren solle.
Da hatte Mavis begriffen, daß sie verloren hatte. Trauer und Verzweiflung wandelten sich zu Wut, als sie daran
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