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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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im Randbereich seines Gesichtsfeldes stutzen ließ. Er erstarrte, beobachtete die Stelle, wo er die Bewegung gesehen hatte. Wieder Einbildung? Er sah nichts, nur die träge ziehenden Nebelschwaden. Er lauschte und hörte nichts als den eigenen Herzschlag in den Ohren.
    Wieder blickte er zum Ursprung des Lichtscheins. Am stärksten war er in der Mitte des weiträumigen Kirchenschiffes, ungefähr dort, wo das Querschiff unter der Vierung das Längsschiff kreuzte. Dieses Zentrum schien keine bestimmbare Form zu besitzen; seine äußeren Ränder veränderten ständig ihre Form und waren nur durch den Helligkeitskontrast sichtbar. So wirkte der Kern vor dem trüberen, graueren Gelblichweiß seines schützenden Nebelschirms rein gelb. Es war unmöglich, die Größe dieses Kerns zu bestimmen, da seine Sicht von den umgebenden Nebelschichten zu sehr beeinträchtigt wurde, aber seine bloße Existenz schien Bösartigkeit zu verströmen, ein schädliches Wachstum, das beängstigend und doch auf eine perverse Weise faszinierend war.
    Nur mit äußerster Willensanstrengung konnte Holman seinen Blick von dem unheimlichen Schauspiel abwenden und bei seinem Karren niederknien. Er erinnerte sich seiner Sauerstoffmaske und brachte sie über Mund und Nase an, nachdem er die Rauchmaske abgenommen hatte. Er tat mehrere tiefe Atemzüge, und sogleich wurde ihm klarer im Kopf, und er fragte sich, ob der Nebel eine leicht betäubende Nebenwirkung habe. Er zog die Metallschläuche aus den Halterungen, schraubte sie zusammen, verspürte aber nun, da er dem Ziel endlich nahe war, eine wachsende Nervosität.
    Er wußte nicht recht, ob er den Mut aufbringen würde, an den leuchtenden Kern heranzugehen, der rein aussah, tatsächlich aber aus der tödlichen, sich vermehrenden Masse mutierter Mykoplasmen bestand. Er ließ die Frage einstweilen auf sich beruhen. Der Augenblick der Wahrheit würde früh genug kommen, und er würde entweder auf den leuchtenden Kern zugehen oder davonlaufen. So oder so, die Handlung mußte spontan erfolgen, nicht sorgfältig erwogen. Er konzentrierte sich auf die Metallschläuche.
    Er wurde sich ihrer Anwesenheit bewußt, weil er ihre Nähe fühlte, nicht weil er sie hörte oder sah. Sie erschienen als drei dunkle Umrisse im Nebel, standen ungefähr eineinhalb Meter auseinander, knapp außerhalb klarer Sichtweite, bewegungslos, stumm. Er schaute entsetzt von einer verschwommenen Gestalt zur nächsten. Ihr plötzliches Auftauchen und ihre Lautlosigkeit waren beängstigender, als wenn sie sich bewegt hätten, denn Bewegung hätte ihm wenigstens einen Anhaltspunkt dafür gegeben, was sich dort befand.
    Er erhob sich, den steifen Metallschlauch noch in den Händen. Eine der Gestalten kam draufhin näher, und mit einem Gefühl von Erleichterung erkannte Holman, daß es die Gestalt eines Mannes war. Aber der Kopf war anders.
    Er wich entsetzt zurück und hob abwehrend den Metallschlauch, als die Gestalt aber näherkam, hätte er vor Erleichterung beinahe laut herausgelacht. Es war ein Mann, und der Kopf sah so seltsam aus, weil er eine Gasmaske aus dem Zweiten Weltkrieg trug. In den Händen hielt er einen langen schwarzen Kerzenleuchter, dessen bösartig aussehende Spitze zum Aufstecken einer Kerze auf Holman zielte.
    »Was, zum Teufel, tun Sie hier?« fragte Holman, nachdem er die Sauerstoffmaske abgenommen hatte, um sich verständlich zu machen.
    Er blieb ohne Antwort, als der Mann vor ihn hintrat.
    »Dieser Nebel ist gefährlich, Sie hätten mit den anderen fortgehen sollen«, fuhr Holman fort. Sein Blick ruhte wie gebannt auf der Spitze, die auf seine Brust zielte. Beinahe hypnotisiert verfolgte er, wie der Kerzenleuchter zurückgezogen und langsam erhoben wurde, bereit zum Zuschlagen.
    Holman wartete nicht darauf. Er stieß seinen Metallschlauch dem Mann in den Magen, und als der andere sich krümmte, holte er aus und schlug ihm das Schlauchende ins Genick. Der Mann brach zusammen.
    Holman hielt Ausschau nach den beiden anderen. Aber sie waren verschwunden.
    Er blickte umher, wandte den Kopf von einer Seite zur anderen, während die Gestalt zu seinen Füßen auf dem harten Steinboden ächzte und sich bewegte. Er kniete neben dem Mann nieder und wälzte ihn auf den Rücken. »Armer Irrer!« stieß er hervor. Dieser Held mußte geglaubt haben, die Gasmaske würde ihn gegen die Wirkungen des Nebels schützen und hatte die Gelegenheit ergriffen, sich in der verlassenen Stadt einige Wertgegenstände anzueignen. Aber was taten

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