Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
stellte den Krug darauf ab und sprach nur ein einziges Wort.
„SHEMHAMPHORASCH!“
Das Siegel knarzte und wurde augenblicklich pechschwarz. Die Schwärze griff auf den Krug über, hüllte ihn ein und schien einen so enormen Druck auszuüben, dass das Metall zu stöhnen begann. Der Krug explodierte in tausende, winzige Splitter, die wie kleine Nadeln durch den Raum preschten und gegen die Wände schlugen. Der Schlüssel des Salomon glühte, als käme er direkt aus einem Hochofen. Er erzitterte und kam dann langsam wieder zur Ruhe. Noch im selben Augenblick wusste Joe, dass er es geschafft hatte. Samael war vernichtet.
„Nein!“, schrie Marius und blickte verzweifelt auf die Überreste des Kruges, die in der ganzen Kammer verstreut lagen. „Was hast du getan, du Verräter!“
Mit einem scheußlich wutverzerrten Gesicht spurtete er auf Joe zu, der hastig rückwärts krabbelte. Doch natürlich holte Marius ihn sofort ein und schlug ihm so heftig ins Gesicht, dass sein komplettes Gesicht aufriss. Er beugte sich über ihn und Joe dachte, dass er diesmal wohl ziemlich übel in der Klemme steckte, doch er hatte nicht mit Kyras Einsatz gerechnet. Sie sprang auf, warf sich auf Marius und grub ihre Krallen tief in seinen Hals. Dieser ächzte, als sein Blut in Strömen über Kyras Hände floss und sie beide polternd zu Boden stürzten. Kyra saß auf ihm, die Zähne gefletscht und mit leuchtend weißen Augen, die ihn wie zwei fahle Monde fixierten.
„Wie du mir, so ich dir, Marius“, presste sie hervor und fauchte. „Wenn wir uns wieder sehen, dann sag mir, wie warm es in der Hölle ist.“
Und mit diesen Worten brach sie ihre Faust in Marius' Brust, packte sein Herz und riss es ihm aus dem bebenden Körper. Blut spritze über ihr ganzes Gesicht, über den Boden und die Wände. Sie hatte ihn besiegt, den Tyrannen, der ihr ganzes Leben zerstört hatte. Endlich war sie frei.
Unendlich viele Gedanken schossen ihr durch den Kopf, wirbelten durcheinander und erzeugten ein Schwindelgefühl, doch es war ihr einerlei. Sie hatte ihre Freiheit wieder und das war alles, was zählte. Ihr Leben gehörte nun wieder ihr ganz allein und es stand ihr frei zu tun, was immer sie wollte. All der Schmerz und das Leid konnten dieses unbeschreibliche Glücksgefühl nicht übertünchen, sie fühlte sich wie neu geboren. Hoffnung breitete sich in ihrem Herzen aus, die Hoffnung, endlich ein neues Leben führen zu können, ohne Furcht, ohne Angst, ohne Verzweiflung. All das empfand sie in diesem Augenblick, als Marius' Körper unter ihr erschlaffte, als sie spürte, wie ihn der Lebenshauch verließ und er zu nichts weiter als einer leeren Hülle wurde. Er würde in Vergessenheit geraten und sein schrecklicher Plan niemals Wirklichkeit werden. Dafür würde sie schon sorgen!
Ein Ächzen holte sie zurück in die Wirklichkeit. Sie drehte sich um und sah, wie Joe versuchte, sich wieder aufzurichten. Er sah fürchterlich angematscht aus, sein ganzes Gesicht war aufgerissen und blutig und wollte nicht verheilen. Auch Kyra wurde plötzlich bewusst, dass ihre Wunden nicht besonders gut heilten und ihr Handgelenk noch immer gebrochen war. Doch das war nebensächlich. Sobald sie wieder frisches Blut trinken konnte, würde der Schaden sich wieder beheben.
„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte sie keuchend.
Joe nickte matt und stützte sich an der Wand ab.
„Das wird schon wieder. Aber der Junge...“
Er nickte zu Seth, der noch immer vollkommen regungslos auf dem Bauch lag und schwelte.
„Oh mein Gott, Seth!“, rief Kyra panisch.
Für einen kurzen Augenblick hatte sie völlig vergessen, was mit ihm geschehen war. Ein fürchterlicher Verdacht keimte in ihr auf, der ihr fast den Verstand raubte. Mit schnellen Schritten hastete sie durch die Kammer und ging vor Seth auf die Knie. Vorsichtig drehte sie ihn um. Er fühlte sich sehr heiß an und merkwürdig papieren. Tränen schossen ihr in die Augen und tropften auf sein Gesicht.
„Was ist mit ihm passiert?“, schluchzte sie. „Er ist doch nicht etwa...?“
Joe antwortete nicht. Auch er sah aus, als würde er mit der Trauer kämpfen. Hektisch schnitt sich Kyra in ihr kaputtes Handgelenk und träufelte ihr Blut in Seth's aufgeplatzte Haut. Doch nichts geschah. Das Blut floss wieder aus den Wunden heraus und lief über den dreckigen
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