Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
jedem Regal hing auf halber Höhe ein Kerzenständer, auch auf den Simsen der Fenster standen Unmengen verschiedenfarbiger Kerzen. Die Jalousien waren heruntergelassen und ließen keinerlei Licht ins Innere. Eine große Vitrine stand links neben der Türe und beherbergte diverse Schalen, Töpfe und Kelche mit mehr oder weniger fragwürdigem Inhalt. Die Wände waren in einem dunklen Violett gestrichen, mit seltsamen schwarzen Symbolen und Buchstaben verziert. An der Decke hingen keine Lampen, doch in der Mitte befand sich eine runde Holzplatte, sorgfältig mit Nägeln an die Decke gehämmert. Joe verschloss die Türe hinter sich und ging zielstrebig zu einem der Regale an der linken Wandseite. Er ließ seinen Blick kurz von oben nach unten wandern, fand den Lederbeutel nach dem er gesucht hatte und öffnete den Knoten. Der Beutel enthielt gut ein halbes Kilo feinen Ziegelstaub. Joe nahm eine Handvoll und zog damit eine klare Linie am Boden vor der Türe. So hatte er die Gewissheit, dass absolut niemand eintreten konnte. Er brauchte seine Ruhe und wollte bei seinem folgenden Vorhaben keinesfalls gestört werden. Weder von körperlichen, noch von anderen Wesen. Kaum jemand wusste, dass er sich intensiv mit diesen Dingen beschäftigte und so sollte es auch bleiben. Andernfalls würde es zu peinlichen Fragen kommen.
Joe klopfte den restlichen Ziegelstaub an seiner Hose ab. Dann ging er zu der Vitrine und holte eine flache Steinschale und einen Wasserkrug heraus. Er stellte beides auf den Boden und goss aus dem Krug geweihtes Wasser in die Schale. Im Schein der Kerzen glitzerte die Oberfläche wie ein Meer aus Diamanten. Joe krempelte die Ärmel nach oben und wusch sich Hände und Arme. Er biss sich dabei auf die Lippen und verzog die Augenbrauen. Es prickelte auf der Haut. Nicht etwa, weil es ihm schadete. Es wusch ihn rein von Sünden. Und Joe hatte eine Menge Sünden begangen. Nach einer Weile richtete er sich wieder auf, von seinen Händen tropfte das Weihwasser auf den hölzernen Boden. Noch einmal atmete er tief durch und entspannte sich. Sein Körper kam zur Ruhe und sein Atem ging nun tief und regelmäßig. Das Rauschen in seinen Ohren verstummte letztendlich und schließlich öffnete er die Augen und stellte sich, mit dem Gesicht nach Osten, in die Mitte des Raumes. Mit der rechten Hand berührte er hintereinander seine Stirn, die Brust, seine rechte, danach die linke Schulter. Am Ende faltete er beide Hände über der Brust. Währenddessen rief er mit klarer, lauter Stimme:
„Ateh Malkuth va Geburah va Gedulah le Olahm, Amen!“
Die Wörter hallten von den Wänden wider und schwebten für kurze Zeit im Raum. In diesem Augenblick begann sein gesamter Körper zu glühen. Eine warme, starke Energie durchströmte ihn, floss durch jede seiner Adern, in seinen Kopf und umgab ihn überall. Es war ein angenehmes Gefühl. Er streckte die rechte Hand von sich und malte mit seinem Finger ein Pentagramm in die Luft. Und als ob seinem Finger flüssiges Gold entweichen würde, erschienen die Züge des Pentagramms und flammten leuchtend rot und golden auf. Es schwebte wie ein dunkles Omen direkt vor ihm. Dabei rief er:
„Yehova!“ Bei diesem Wort ging das Pentagramm in Flammen auf.
Joe drehte sich nach Süden, zeichnete dort ebenfalls ein hell leuchtendes Pentagramm in die Luft und sagte:
„Adonai!“
Joe tat dasselbe auch in Richtung Westen und Norden und rief währenddessen „Ehieh!“ und „Agla!“
Dann wandte er sich wieder nach Osten, von allen Seiten umgeben von den brennenden Pentagrammen und berührte mit seinem ausgestreckten Zeigefinger das Zentrum des ersten Pentagramms. Der Kreis war geschlossen. In diesem Moment brannten alle vier Symbole lichterloh und von ihrer ursprünglichen Form war nun nichts mehr zu erkennen. Joe blickte zur Decke und breitete die Arme zu beiden Seiten aus, so dass sein Körper die Form eines Kreuzes annahm. Dann sprach er mit lauter Stimme die Beschwörungsformel.
„Vor mir Raphael, hinter mir Gabriel, zu meiner Rechten Michael, zu meiner Linken Uriel! Um mich flammen die Pentagramme und in der Säule steht der sechsstrahlige Stern!“
Um ihn herum begann das Zimmer zu verschwimmen. Dort, wo die Pentagramme aufleuchteten, erschienen die Gestalten von vier Engeln, getaucht in weißes Licht. Es ergoss sich in alle Richtungen und floss dabei warm und sanft über
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