Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
Sie nahm seine Hand und schüttelte sie. Seine Finger waren warm. Ein schönes Gefühl.
„Du bist der erste, der so nett zu mir ist“, sagte sie.
„Wie meinst du das?“
„Na ja, deine … Kollegen waren es jedenfalls nicht.“
Er sah sie mit einem spitzbübischen Grinsen an.
„Ernsthaft? Das kann ich mir kaum vorstellen. Wer war nicht nett zu dir?“
„Daniel und Zac.“
Seths Wangen zuckten kurz. Für einen Augenblick schien er nachzudenken. Kyra erwartete eine Erklärung, aber er lächelte sie nur an. In diesem Moment war sie froh, dass sie nicht mehr so leicht errötete.
„Ignorier die beiden einfach“, meinte er. „Die nehmen ihren Job zu ernst. Sind wegen der ganzen Jagd schon etwas komisch im Kopf geworden. Wenn du Probleme mit ihnen hast, kannst du mir Bescheid geben.“
Er legte einen Arm und ihre Taille und führte sie vorwärts.
„Ist dir kalt?“, fragte er verdutzt.
Sofort lenkte sich Kyras Aufmerksamkeit auf seinen Herzschlag. Sie hörte das lebendige Rauschen von Blut in seinem Körper. Ein verlockender Duft wehte ihr in die Nase. Sie schauderte. Nein. Sie durfte nicht schon wieder die Beherrschung verlieren. Er war tabu.
„Ich hab gehört, dass die beiden in der Nacht von einem Auftrag aus Kalifornien zurückgekommen sind“, fuhr Seth fort. „Ich wollte gerade zu Daniel gehen. Weißt du, er ist eigentlich mein Partner.“
Kyras Gesichtszüge entgleisten. Das musste ein Scherz sein.
„Normalerweise erledigen wir unsere Arbeit immer zusammen. Aber diesmal wurde Zac mitgeschickt. Keine Ahnung, was der Konsul damit bezwecken wollte. Meiner Meinung nach ist Zac viel zu unentspannt. Für diplomatische Aufträge völlig ungeeignet.“
Kyra musste lächeln und hoffte, dass Seth es nicht merkte. Unentspannt traf es ziemlich genau.
„Warum bist du Jäger geworden?“, wechselte er das Thema.
Kyra wurde heiß. Was sollte sie darauf antworten? Wenn sie ihm die Wahrheit sagte, wäre Seth wahrscheinlich nicht mehr halb so freundlich zu ihr. Und Kyra spürte, wie sehr sie diese Zuwendung nach all den schrecklichen Erlebnissen genoss.
„Ich – bin kein Jäger“, stammelte sie.
„Ach so.“ Seth schien nicht überrascht. „Novizin?“
Sie bogen um die Ecke in den Flur, aus dem Kyra gerade gekommen war und stießen fast mit Alexander zusammen, Dieser ließ vor Schreck die Akten und Notizen fallen, die er in der Hand gehalten hatte.
„Seth!“, rief er ärgerlich. „Kannst du nicht aufpassen?“
Seth murmelte tausendmal „Entschuldigung, Sir!“ und krabbelte auf dem Boden herum, um die Blätter aufzulesen. Alexander jedoch sah Kyra scharf in die Augen.
„Was machst du hier?“, fragte er so leise, dass Seth es nicht hören konnte. „Es ist helllichter Tag. Warum streifst du in den Gängen herum, anstatt dich auszuruhen?“
„Ich bin nicht müde“, antwortete sie. „Und ich wollte mich etwas umsehen. Ist das verboten?“
Alexander schnaubte.
„Aber doch nicht im Ostflügel!“, sagte er. „Der Ost- und Nordflügel ist den Jägern vorbehalten. Was glaubst du würde passieren, wenn dich jemand erkennt? Ich möchte nicht, dass du noch einmal hierher gehst. Es ist gefährlich!“
Kyra warf einen vielsagenden Blick auf Seth, der immer noch auf den Knien über den Boden rutschte und mit rotem Kopf die Akten einsammelte. Alexander folgte ihrem Blick.
„Seth ist erst seit drei Jahren bei uns und hat noch nicht viel Erfahrung gesammelt. Ich nehme es ihm nicht übel.“
„Sie haben also noch niemandem gesagt?“, fragte Kyra. „Die Jäger wissen nicht, dass ich hier bin?“
„Ich wollte es heute bei der abendlichen Versammlung verkünden“, antwortete Alexander. „Bis dahin solltest du lieber in deinem Zimmer bleiben. Die meisten Jäger sind durchaus in der Lage, einen Menschen von einem Vampir zu unterscheiden.“
„Ihnen ist klar, dass er mich hätte töten können?“, zischte Kyra und nickte in Seth's Richtung. „Woher hätte er wissen sollen, dass ich kein Feind bin?“
Alexander warf ihr daraufhin einen warnenden Blick zu. In diesem Moment richtete sich Seth wieder auf und reichte dem Konsul einen Stapel Akten und
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