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Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)

Titel: Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.M. Nightingale
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etwas sagen, tat es dann aber doch nicht. Sie blickte ihn nur ausdruckslos an. Wollte er mit diesem Kommentar sein unmögliches Verhalten etwa wieder gutmachen?
         „Wenn du noch länger bleibst, tust du mir keinen Gefallen. Ich werde dann nämlich auch hier bleiben müssen.“
         Sein Grinsen wurde breiter. Nichts würde ihn davon abhalten, die ganze Nacht mit ihr im Regen zu verbringen.
         „Komm da runter“, meinte er aufmunternd und steckte die Hände in seine Hosentaschen. „Ich hab eine Überraschung für dich.“
         Nach so viel Täuschung und Betrug, dachte sie, wollte sie es nun mit ein wenig Vertrauen versuchen. Immerhin hatte sie nichts mehr zu verlieren.
         „Von mir aus“, sagte sie  und hüpfte von der Mauer.
         Sie liefen durch den Garten zurück zum Haupteingang. Seth ging voran und trieb Kyra mit wild gestikulierenden Händen zur Eile an, da er mittlerweile nass bis auf die Knochen war. Er hielt ihr die Tür auf und schlotterte dabei wie Espenlaub. Drinnen war es warm und behaglich und die plötzliche Hitze brannte auf Kyras Gesicht. Das Gebäude lag im Dunkeln, dennoch konnte sie ferne Schritte und Gemurmel hören. Offensichtlich waren Seth und sie nicht die einzigen, die in dieser Nacht keine Ruhe fanden. Seth schüttelte sich wie ein Hund und zog die Kapuze von Kopf. Sein Haar stand unordentlich und zerzaust von allen Seiten ab.
         „Komm mit“, sagte er und nahm sie an der Hand. „Wir gehen etwas essen. Ich hoffe doch, du hast Hunger?“
         Kyra folgte ihm. Ihr Herz tat einen Hüpfer.
         „Ich denke schon.“
         Sie hatte keinen Hunger, aber sie freute sich, dass er daran gedacht hatte. Gemeinsam gingen sie die Treppen hinunter in ein tristes, graues Gewölbe. Durch eine schlichte und ziemlich morsche Holztür gelangten sie in eine große unterirdische Halle, in der es vor nutzlosen und kaputten Gegenständen nur so wimmelte. Entzwei gebrochene Holzstangen reihten sich an Stapel voller rissiger Schalen. Manche davon waren aus Kupfer, andere aus Blei oder Zinn. Regale voll zerschlissener Schriften und Bücher moderten nebst alter und fleckiger Kleidung ihrem Zerfall entgegen. Hunderte seltsamer Artefakte und Lederbeutel brachten die Kartons, in die sie achtlos gestopft worden waren, beinahe zum Platzen. In zerbrochenen Glasvitrinen verstaubten Amulette, Ringe und Ketten und Kyra entdeckte sogar eine beachtliche Sammlung hübsch verrosteter Kruzifixe. Von der Decke hingen abertausende Spinnweben und in den Dielen konnte Kyra das Fiepen von Fledermäusen hören. Seth knipste das Licht an. Die eine magere Lampe reichte jedoch nicht aus, um den gesamten Raum zu erhellen. Es fiel nur schummriges, dumpfes Licht in die Halle.
         „Da hinten“, sagte er und zog sie in die hinterste und entlegenste Ecke. „Der Konsul hat sie von einem unserer Männer in der Stadt liefern lassen. Ein Schlachter, so müssen wir nicht irgendein armes Vieh von einer Ranch klauen.“
         Er deutete auf etwas zwischen einem Stapel angelaufener Kelche und Bunsenbrenner. Das Blut war in durchsichtige Plastikkonserven abgefüllt worden und schimmerte dunkel im schwachen Licht.
         „Rinderblut. Ich weiß nicht ob es gut ist, aber Bettler dürfen nicht wählerisch sein.“
         Er nahm eine der Konserven und warf sie Kyra zu. Ein schwacher, bitterer Geruch stieg ihr in die Nase. Das Tierblut war viel dunkler als jenes, das sie bei Michael und Joe getrunken hatte und es duftete auch nicht so intensiv und süßlich wie das Blut der Menschen. Es roch eher nach saurer Leber.
         „Nicht unbedingt ein Festmahl“, meinte Seth. „Aber Blut saugen ist hier verboten.“
         „Ich habe Daniels Blut getrunken.“
         „Das hab ich gehört.“ Seth musterte sie. „Schmecken Menschen unterschiedlich?“
         Kyra traute sich fast nicht zu antworten. Sie empfand die Frage als sehr persönlich. Und sie kämpfte mit Gewissensbissen.
         „Ja.“
         Kyra wendete die Konserve in ihren Händen Es war eiskalt. Vorsichtig schraubte sie den Verschluss auf und nippte an der Öffnung. Ein kühles Rinnsal floss ihr die Speiseröhre hinunter. Es schmeckte nach rohen Innereien und vergorener Gewebeflüssigkeit. Auch hatte sie nicht das Gefühl, als ob das minderwertige Rinderblut ihren Energietank ausreichend auffüllte, so wie es das Menschenblut immer getan hatte. Das warme, berauschende

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