Unheilig (Die Chroniken der Schatten) (German Edition)
gefährlich, als auch für unsterbliche Kreaturen.“
Joe setzte sich Michael gegenüber und schlug die Beine übereinander. Er wirkte nachdenklich.
„Vielleicht hat sie ja gelogen“, versuchte er sich einzureden. „Womöglich hat sie den Begriff nur irgendwo aufgeschnappt.“
„Sagtest du nicht, sie sei erst seit Kurzem verwandelt?“, meinte Michael und schenkte Joes finsterem Blick keinerlei Beachtung.
„Das stimmt. Und das ist auch der Grund, warum ich mir solche Sorgen mache. Wenn das was sie sagt wahr ist, dann wütet unter uns ein Reinblüter. Und in der heutigen Zeit wäre so ein mächtiger Vampir verdammt fehl am Platz.“
„Wie meinst du das?“
Joe wusste nicht genau, wie er es erklären sollte. Die ganze Geschichte begann sehr unangenehm zu werden.
„Wie du und ich sind alle Vampire auf diesem Planeten verwandelt worden. Es gab aber auch Vampire, die als solche geboren wurden. In den Adern der Ältesten fließt keinerlei menschliches Blut. Keiner ihrer Vorfahren war ein verwandelter Mensch. Im fünfzehnten Jahrhundert wurden fast alle von ihnen vernichtet und die, die übrig blieben, verschwanden irgendwann. Diese Ältesten reichen bis ins Jahr 600 vor Christus zurück. Keine Lebensform ist so nah an dem ursprünglichen Vampir wie die reinblütigen Ältesten. Sie waren Monster, Bestien in menschlicher Gestalt, die vor nichts Respekt hatten, außer vor dem Geschmack des Blutes. Die Welt ist eine bessere ohne sie.“
Michael hörte aufmerksam zu. Skeptisch zog er eine Augenbraue hoch.
„Und was hat das mit diesem Mädchen zu tun?“
Joe zögerte kurz und biss sich dabei auf die Lippen.
„Laut Legenden suchten sich die Ältesten im Laufe ihres Lebens eine Frau, eine Gefährtin, die bis in alle Ewigkeit an ihrer Seite stehen sollte. Nur eine einzige, die sie verwandelten und die somit ausgestattet war mit den Kräften eines reinblütigen Vampirs. Für jeden Ältesten gab es auf dieser Welt nur eine Frau, die perfekt ihren Kriterien entsprach. Stell dir eine Art Seelenverwandten vor. Manche haben Jahrhunderte darauf gewartet, bis „ihre“ Gefährtin geboren wurde. Diese Lilien sind noch blutrünstiger als ihre Schöpfer selbst. Meist konnten die Ältesten selbst sie nicht kontrollieren.“ Joe lächelte milde. „Frauen sind eben anders als wir Männer. Nicht umsonst sind weibliche Vampire sehr viel stärker als männliche. Aber eine Lilie … das ist das letzte, was diese Welt gebrauchen kann.“
Ein dumpfes Schweigen trat ein. Joe schien resigniert, doch Michaels Neugierde war geweckt.
„Wie kann eine solche Vampirin in der heutigen Zeit existieren, wenn die Ältesten schon vor Jahrhunderten ausgelöscht wurden?“, fragte er. „Das ergibt doch keinen Sinn.“
„Es gibt keine Beweise dafür, dass alle vernichtet wurden“, antwortete Joe, „genauso wenig wie es bisher Beweise dafür gab, dass noch welche existieren. Ich hatte nur gehofft, dass uns die Existenz einer solchen Bestie erspart bleibt. Sie sind absolut unzurechnungsfähig. Wenn es tatsächlich eine gibt, dann wäre es besser sie zu töten, noch bevor ihre Kräfte das volle Maß angenommen haben.“
Michael war überrascht.
„Du willst sie töten?“, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen und stellte sein Glas beiseite. „Einen Artgenossen? Du hast doch nicht den geringsten Beweis!“
„Sie hatte rote Augen“, sagte Joe eindringlich, „und nichts an ihr war normal. Sie muss sterben, bevor es zu spät ist! Wenn sie erst einmal entdeckt hat, welche Kräfte sie besitzt, dann gibt es niemanden mehr, der sie aufhalten könnte.“
Michael wollte dem etwas entgegensetzen, wurde jedoch unterbrochen.
„Ich hab ihr gesagt, dass ein guter Freund von mir sie bald aufsuchen wird.“ Joe lehnte sich weit nach vorne. „Und das wirst du sein.“
Michael sah ihn verärgert an.
„Warum tust du mir das an, Joe? Ich hab Wichtigeres zu tun, als mich um ein wahnsinniges Vampirmädchen zu kümmern.“
Doch Joe ignorierte sein Argument. Für ihn war die Sache bereits beschlossen.
„Du wirst sie finden und dann hierher bringen“, forderte er und seine Stimme ließ keine Einwände zu. „Wir werden sie ausquetschen und sie dann, wenn sich meine Theorie bewahrheitet, töten. Zu unserer aller
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