Unheiliger Engel (German Edition)
schneien, es war kalt geworden und Nebel hing über den Büschen und Bäumen. Er vernahm leises Pferdeschna u ben, als er die Tür zum Stall öffnete, in dem er fünf Reitpfe r de hielt. Stall und Haus waren in gutem Zustand und die Pferde, die ihm neugierig entgegenschauten , wirkten gepflegt und gesund. Also konnte er sich auf seine Haushält e rin und ihren Mann verlassen, dem die Pflege seiner Tiere oblag . Kurz entschlo s sen kleidete er sich um und sattelte seinen Friesenhengst Dragonard, der sich willig aufzäumen ließ. Anderen Reitern als ihm war er weniger gut g e s innt , doch sie hatten schon ein paar Jahre miteinander geteilt, auch wenn er das Tier in den letzten Monaten vernac h lässigt hatte. Dragonard war ein Friese in klassisch barockem Stil, groß, mit üppigem Behang, riesigen Hufen und einem exzellenten Stammbaum. Z är t lich streichelte Sergej seinen Nasenrücken, schmiegte sich einen Moment an seinen Hals. Vielleicht sollte er wieder die Pferdezucht aufnehmen, die ihm i m mer Freude bereitet und mit Stolz erfüllt hatte . Die Geburt eines kräftige n, g e sunde n Füllen s war ein berührendes Erlebnis. Mit Vorfreude auf den Au s ritt stieg er auf, ritt im Schritt quer durch den Park , entlang der Weid en und am tiefgrünen Teich vorbei. Hinter der Reithalle trieb er Drag o nard in Trab, lenkte ihn zum Wald, in dem sie schon viele Erkundungsritte u n ternommen hatten.
Der erste Galopp war wie eine Befreiung, er ritt im leichten Sitz und g e noss den Wind in seinem Haar , auf seiner Haut, spürte die Kraft, Freude und Energie des Hengstes wie seine eigene. Sie gingen eine freundschaftliche Symbiose ein und Dragonard trug ihn que r feldein über Bachläufe, kleine Hindernisse und verschlungene Wege. Es war fast wie damals, als es noch keine Autos gab und die Menschen von Pferden getragen wurden. So fand er Glücks e ligkeit.
Er wusste nicht, wie lange sie unterwegs waren, er verspürte weder Hunger noch Durst, vergaß seine Sorgen und Gedanken und lebte diesen einzigart i gen Moment. So wie Drag o nard, der keine Anzeichen von Müdigkeit zeigte und genauso freudig reagierte und schnaubte wie sein Reiter. An einem kle i nen See im Wald mac h ten sie Halt . Sergej saß ab, ließ den Hengst grasen, atmete die frische Luft tief ein und lauschte den Stimmen des Wa l des. Noch waren es wenige, viele Vögel waren in den Süden gewandert. Im Sommer war es a n ders, ma n konnte baden, das Wasser war sauber, durch einen Bachlauf gespeist und klar. Manc h mal kam er hierher und konnte abschalten . Aber der Moment der Ruhe verging u nd er len k te den Hengst Richtung Heimatstall. I hm blieb die Hoffnung, dass Pferd und Reiter wi e der ein ähnlich intensiver Moment vergönnt sein würde, denn sollte er ein neues Leben beginnen müssen, würde Dragonard es nicht teilen kö n nen.
Im Stall erwartete ihn bereits Peter Wienke, der ihn freundlich begrüßte und zu Hause willkommen hieß. „Ist Dragonard heute gut gegangen?“
„Ja, er ist fit und hat den Ausritt genossen . G enauso wie ich.“
„Das glaube ich, er liebt den Wald und die frische Luft.“
„Ich sollte ihn öfter bewegen.“
„Das höchste Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“, zitierte Sergejs Angestel l ter lächelnd.
„Es sind manchmal die einfachen Dinge, die uns Menschen besondere M o mente besch e ren . “
„Manches kann man nicht kaufen, man muss es erleben und empfinden le r nen.“
Mit diesen Worten nahm er Sergej das verschwitzte Tier ab, ließ ihn stehen und führte es einige Runden trocken, bevor es geputzt und mit Futter und Wasser versorgt wurde. Se r gej schätzte seine ruhige und wortkarge Art, hinter der ein sensibler, tierlieber und intellige n ter Mann verborgen war. Wer Tiere liebte und hegte, konnte k ein schlechter Mensch sein.
Mit eine m letzte n Blick auf Dragonard, der ihm zuwieherte und die Ohren aufmerksam au f gestellt hatte, verließ Sergej den Stall.
„Hier sind S ie, Herr Kasamarov, ich wusste nicht, dass S ie an diesem Woche n ende he r kommen würden . “
S eine Haushälterin Ella Wienke riss ihn aus seinen trüben Gedanken und kam freud e strahlend auf ihn zugelaufen. Wenn man es denn laufen nennen konnte, ihre Leibesfülle war beträchtlich und hinde r lich, doch dafür war ihr Strahlen umso intensiver.
„ Hall o Frau Wienke . “ Sergej lächelte ihr zu . „Es war eine kurzfristige En t scheidung, sonst hätte ich angerufen und mich angeme l det.“
„ War die große Gala
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