Unheiliger Engel (German Edition)
hörte auch er die Klänge leiser Sirenen aus der Ferne, vielleicht ein P o lizei- oder Rettungswagen, sicher noch fünf Kilometer entfernt, doch die Signale wu r den lauter. Endlich löste sich Anna von ihm und er hoffte instä n dig, dass die Helfer gut vorankamen .
„Ich muss dich jetzt verlassen, aber wir werden uns bald wiedersehen. Das ist ein Versprechen und nunmehr meine letzte Warnung. Noch sind diese Me n schen l e bendig, ich könnte sie problemlos töten, vergiss das nicht. Und ich werde es tun, wenn du mir den Ring nicht freiwillig gibst.“
„ Was willst du wirklich, Anna? “ Sergej formulierte seine Frage telepathisch.
„Dich und den Ring . F reiwillig wirst du zu mir kommen und ihn mir geben. Und dann das tun, was ich von dir verlange. Ich habe Pläne für uns . “
„ Welche Pläne? “
„Alles zu seiner Zeit. Es wird wie eine Befreiung für uns sein, wenn sich die Dinge so f ü gen, wie ich es plane. Und danach wird für dich und mich fast alles möglich sein.“
„ Ich verstehe nicht. Was soll das alles? “
„Du wirst es bald verstehen. Und vergiss nicht, dass ich dich und deine Freu n de heute verschont habe . D u schuldest mir also etwas und ich werde diese Schu l den bald einfo r dern.“
Ihre Berührungen waren plötzlich zärtlich und ungewohnt sanft. Sie tupfte Blut aus se i nem Gesicht, küsste ihn, bis er zu ersticken glaubte , und leckte Blut von seinen zitternden Lippen, die ihr in diesem Moment ausgeliefert w a ren.
„Wenn du nur verstehen und deine Abwehr aufgeben würdest “, hauchte Anna. „Alles w ä re einfacher.“
Dann verschwand sie und nahm ihren Gehilfen mit. Sergej versuchte , seine Hände zu heben und sich Blut und Dreck aus dem Gesicht zu wischen. U nmö g lich, er sackte zusa m men. Mit Mühe gelang es ihm, ein spitzes , langes Metallstück aus seinem Oberschenkel zu ziehen, dann fiel sein Kopf kraftlos zur Seite. Er hatte kein Gefühl in seinen Extremit ä ten, verlor viel Blut und in seinen Ohren war ein immer lauter werdendes Rauschen. Baldige Bewusstlosigkeit und vol l kommener Kontrollverlust drohten und mit dem Scheißgefühl von Hilfl o sigkeit dämmerte er vor sich hin. Eigentlich war jetzt der perfekte Moment, auf dem Papier aus dem Leben zu scheiden, aber seine Vorbere i tungen für den Übergang in ein neues Leben waren nicht abgeschlo s sen und er war leider nicht in der Lage, sich von diesem Ort zu telepo r tieren. Nur so hätte er sich vor dem Zugriff der Polizei und Rettungsdienste schützen und se i ne abnormen Selbstheilungskräfte wie bis jetzt verbergen können. Er hätte seine Andersartigkeit nicht erklären müssen, doch daran war nichts zu ändern und e r musste kreativ sein . In jedem Fall würde er ihre Geräte und Apparaturen so lange sabotieren und manipuli e ren , bis er einen für sie lebensfähigen Zustand angenommen hatte. Bald, aber nicht jetzt. Er hustete und schmeckte Blut. Er war schon oft verletzt worden, aber an die Schme r zen gewöhnte man sich ni e . Selbst seine Wut auf Anna verblasste mit dem Schwinden jeglichen Körpergefühls und das sollte e t was heißen .
Die Sirenen wurden wie das Ra u schen in seinen Ohren lauter, als würden sie miteinander wetteifern. Zu diesem Nerv tötenden Klang kühlte und blutete sein Körper aus. Was für eine Sinfonie . Er k i cherte und spuckte wieder Blut. Als ihn ein dunkler Strudel packte und zu verschlingen drohte, dachte er an Elaine und benutzte ihr Bild wie einen Rettungsanker. Letztlich gewann der Sog, er zog ihn in eine vollkommene, eiskalte und schmerzfreie Dunke l heit. So musste der Tod sein, s terben war einsam und kalt. Oder um es mit den letzten Worten Ludwig van Beethovens zu formulieren: Freunde! Applaudiert! Die K o mödie ist vorüber.
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Elaine kam es vor, als hätte sie die letz t en Minuten in einem tranceähnlichen Z u stand verbracht . Ihr Körper war erstarrt und ihre Empfindungen betäubt. An der U n fallstelle herrschte Chaos, dunkle Rauchsäulen stoben in den Himmel und überall lagen Wrackte i le. Viele Personen rannten geschäftig hin und her. Ein Löschzug war damit beschä f tigt, eines der Fahrzeuge zu löschen, das lichterloh brannte und in dem noch der Fahrer vermutet wurde. Wenn es so war, würde für diesen allerdings keine Hilfe, sondern nur eine Urne geben. Die beiden Fahrze u ge mussten mit enormer Wucht frontal au f einandergeprallt sein, was für diese gut einsehbare Stelle der Straße unverständlich erschien. Ob Absicht
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