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Unheilvolle Minuten (German Edition)

Unheilvolle Minuten (German Edition)

Titel: Unheilvolle Minuten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Cormier
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Mensch da sagte.
    »Ich hab gesehen, wie Karen ins Haus ging, und sie haben sie gepackt.« Dann, im Flüsterton: »Das Licht ging aus …«
    Ein letztes, keuchendes »Nein«, ein Wort wie ein gequälter Schrei, der sich in krampfhaftem Protest ihrer Kehle entrang.
    »Ja, ja, ja, ja«, sagte er, sprang in die Luft und tanzte, dass die Dielenbretter unter seinem schwerfälligen Leib erbebten. »Und neulich hast du seine Hand gehalten. Ich hab dich gesehen. Du hast ihn angesehen, als hättest du ihn lieb. In diesem Video-Laden hast du deine Lippen auf seine gedrückt und deine Zunge in seinen Mund gesteckt.« Der Tanz war vorbei. Schwer atmend stand er vor ihr und der Schweiß ergoss sich in Rinnsalen über seine Wangen. »Deshalb muss ich das tun, was ich tun muss, Jane. Ich bin der Rächer und muss euer Haus rächen …«
    Die Übelkeit erfasste ihren Magen so plötzlich, dass sie überrascht nach Luft schnappte, als der Schwall aus ihrem Mund hervorbrach. Sauer und ätzend brannte ihr das Erbrochene in der Kehle und strömte in einem widerlichen Sturzbach von ihren Lippen. Ihr Körper reagierte mit Schmerzen. Der Magen war überdehnt, weil sie sich nicht rühren konnte. Sie konnte sich nicht vorbeugen, um sich das Übergeben zu erleichtern, und einen unendlichen Augenblick lang verstopfte das Erbrochene ihr die Kehle. Sie hustete und würgte, von Panik gepackt, bis es wieder zu strömen begann, aus ihrem Mund sprühte, sich auf ihre Bluse, den Rock ergoss und zu Boden platschte.
    Mickey Looney sprang aus dem Weg, aber kleine Brocken des Erbrochenen, rosa und orange, spritzten auf seine Hose, und er rief aus: »Oh, oh«, wieder und wieder: »Oh, oh.« Dann blieb er fasziniert stehen und sah zu, wie sie würgte.
    Handgelenke und Knöchel brannten von den Einschnitten der Schnur, ihr Magen stülpte sich um, im Mund hatte sie einen widerlichen Geschmack und der Geruch des Erbrochenen stieg ihr in die Nase. Doch vor der abgrundtiefen Verzweiflung, in die Jane versank, verblassten ihre Übelkeit und der Gestank nach Kotze. Buddy ein Zerstörer? Einer der Täter? Ihr Buddy, den sie liebte, mit einer Liebe, die größer war als ihr Leben. Buddy, der sie geküsst und gestreichelt hatte, der mit solcher Zärtlichkeit ihre Brüste hielt.
    Mickey tanzte wieder herum, und diesmal war es ein Tanz der Verzweiflung. »Tut mir leid, tut mir leid«, sagte er. Er holte einen Lappen und fuhr ihr damit über das Gesicht, ihr Kinn, tupfte ihren Oberkörper ab, ließ dabei die Hand auf ihrer Brust verweilen.
    »Verstehst du jetzt, was ich tun muss?«, sagte er. Sein Gesicht war erhitzt und er sprang von ihr weg, vermied es, ihr in die Augen zu sehen.
    Sie fragte ihn nicht, was er tun musste, war immer noch wie vor den Kopf gestoßen von dem, was er über Buddy gesagt hatte, versuchte die Beschuldigung abzuwehren, den Wahrheitsgehalt zu leugnen. Mickey betrachtete ihre Brüste und schaute wieder weg. Würde er sie vergewaltigen?
    »Ich muss dich von der Erde entfernen, Jane.«
    Der Gedanke an Buddy entfloh, als ihr bewusst wurde, was Mickey gesagt hatte. »Du meinst – mich umbringen?«, sagte sie entgeistert. Das schreckliche Wort schlug wie eine Flamme in die Luft empor. Jane bedauerte es sofort, dieses Wort ausgesprochen zu haben. Es war, als würde es dadurch zur Realität.
    »Das ist die einzige Möglichkeit, Jane. Ich muss es tun …«
    Ihr schwirrte der Kopf. Fieberhaft suchte sie nach Argumenten, nach irgendetwas, um ihn hinzuhalten. »Warum mich, Mickey?« Sie brauchte einen Aufschub, um Zeit zu gewinnen. Musste jedes Mittel einsetzen, das ihr zur Verfügung stand. Buddy mit eingeschlossen, ob er nun schuldig war oder nicht. »Warum nicht meinen Freund? Du hast gesagt, dass er einer der Täter war. Ich hab das Haus nicht verwüstet – das war er .« Kam sich wie eine Verräterin vor, selbst wenn Buddy ihr Haus verwüstet hatte. Und doch war da ein kleiner Teil in ihr, der sich der Möglichkeit verschloss, dass Mickey sie oder Buddy tatsächlich umbringen würde.
    »Ach, mit ihm mach ich das auch«, sagte er. »Mit ihnen allen. Der Rächer muss Vergeltung üben. Ich bin elf Jahre alt und muss dein Haus rächen.«
    Hatte sie richtig gehört? Hatte sie etwas nicht mitgekriegt?
    »Was hast du gesagt?«
    Er sprach deutlich, betonte jede Silbe: »Ich bin elf Jahre alt, und ich bin der Rächer und muss dein Haus rächen …«
    »Aber du bist nicht elf Jahre alt. Du bist Mickey Stallings und nicht der Rächer.« Wer auch immer der

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