Unheimliche Begegnungen (German Edition)
das Verkehrte. Er schnitt um die Widerhaken und legte so die Spitze etwas frei.
Vanessa wurde unruhig. Er befürchtete, sie könnte aufwachen und vor Schmerzen schreien und die Arlts auf sie lenken. „Hast du ein Taschentuch?“, fragte er Tom. Dieser griff in die Tasche und holte etwas hervor, was eher nach einem Fetzen Stoff aussah, als nach einem Taschentuch. Verwundert fragte er: „Was soll ich damit?“
„Sollte Vanessa aufwachen, dann stecke ihr das in den Mund, damit sie drauf beißen kann und nicht schreit.“
Tom schüttelte den Kopf und meinte: „Das Dreckding?“
„Tus einfach“, sagte Vinc und schnitt behutsam den letzten Haken frei.
Vanessa fing an zu bluten. Vinc wusste, er sollte handeln, denn solange sie noch in Ohnmacht lag, musste er den Pfeil herausziehen. Er hatte einmal etwas von Wundbrand gehört, der tödlich sein konnte. Dieser kann jederzeit eintreten, wenn ein Gegenstand im Fleisch steckt und die Wunde nicht desinfiziert wird. Er biss auf die Zähne und zog den Pfeil heraus. Er sah die große blutige Spitze.
Das Schlimmste bemerkte er, als er auf die Wunde blickte. Es schoss Blut wie aus einer Fontäne heraus. Die Spitze musste das Herz getroffen haben. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als Tom den Lappen abzunehmen und damit auf die Wunde zu drücken. Doch der kostbare Lebenssaft quoll auch durch den Stoff.
Dieser Anblick versetzte Vinc in leichte Panik. Er wusste, Vanessa würde verbluten. Es war das eingetreten, was er vorher schon befürchtete: Sie würde durch die Hand ihres Freundes sterben. War es das Schicksal oder waren es die bösen Mächte, die bestimmten, dass Vanessa fern der Heimat, auf einem fremden Planeten, der sich Arganon nennt, ihr Grab finden sollte?
Auch Tom sah, was da geschah. Er streichelte Vanessas Wangen und fing an zu weinen. Als eine Träne auf Vanessas Wange floss, schlug sie die Augen auf: „Hallo Tom. Mir ist es so komisch. Ich sehe eine schöne Welt. Sieht aus wie das Paradies.“
Vinc hörte ebenfalls diese eigenartigen Worte. Er wunderte sich. Sollte denn Vanessa nicht eher vor Schmerzen schreien? Oder war sie schon fast in den Gefilden, die nach dem Tod auf jeden warteten?
„Wir werden uns wieder sehen“, sagte sie fast kaum hörbar und schlief ein.
Vinc kniete wie erstarrt vor Vanessas Rücken. Tom ließ seinen Tränen freien Lauf.
„Gehe mal zur Seite“, hörte Vinc eine wohl vertraute Stimme neben sich. „Euch kann man keine Sekunde alleine lassen. Wollt ihr, dass sie verblutet?“
Vinc sah Zubla wie einen Geist an. Dann sagte er: „Sie ist tot.“
„Quatsch“, meinte der Gnom. „Sie ist nur ohnmächtig. Vertraue meinem Instinkt. Wir Kobolde spüren, wenn ein Wesen tot ist.“ Als Vinc immer noch nicht Platz machte, sagte Zubla unwirsch: „Wenn du nicht bald weggehst, ist sie wirklich tot.“
„Wie willst du denn das Blut stoppen?“, fragte Vinc.
„Mit meiner Spucke. Schon vergessen, was ich sagte, als ich Tom aufweckte?“
„Ich dachte, du hattest gescherzt.“ Vinc schüttelte ungläubig den Kopf.
„Sehe ich aus, als wenn ich scherze? Ich werde doch meine große Lie …“, Zubla stockte. „nicht sterben lassen“, sagte er weiter ohne das Wort zu vollenden.
Vinc wusste, was er meinte. Er hatte sich schon längst an die Verehrung Zublas gegenüber seiner Freundin gewöhnt.
Er machte den Weg zu Vanessas Verletzung frei. Zubla beugte sich über die Wunde und ließ Spucke darauf laufen. Und da geschah das Wunder: Sie schloss sich. Augenblicke später war von einer Verletzung nichts mehr zu sehen.
Doch etwas anderes geschah. Zubla fiel geschwächt auf die Erde.
„Was ist mit dir?“, fragte Vinc voller Sorge.
Kaum hörbar sagte Zubla: „Ich habe keine Kraft mehr. Der Blitzzauber bei den Arlts und jetzt die Heilung Vanessas haben meine Energie aufgebraucht.“
Vinc wusste nicht, was er zuerst tun sollte. Sich um Zubla kümmern oder nach Vanessa schauen. Er nahm Zubla auf und legte ihn neben Vanessa, die noch immer im tiefen Schlaf lag. Das Gesicht des Kleinen war in Höhe des von Vanessa. Sie schlug die Augen auf und sagte: „Bist du eine Engel?“
Nun kam eine Situation, die schwer zu beschreiben war. Aus einer Traurigkeit wurde durch die Worte Vanessas gegenüber dem unförmigen Gnom eine kleine Situationskomik, die trotz allen Ernstes um das vorherige Geschehen für Lacher bei den Beteiligten sorgte. Denn Zubla als Engel zu bezeichnen gab den Ausschlag, dass zuerst Vinc lachte und dann Tom.
Wenn das
Weitere Kostenlose Bücher