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Unheimliche Erscheinungsformen auf Omega XI

Unheimliche Erscheinungsformen auf Omega XI

Titel: Unheimliche Erscheinungsformen auf Omega XI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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doch alles anders als in den andern Häusern. Hier hingen wuchtigere Lampe n trauben, die Treppen waren breiter, der Fahrstuhl hatte eine goldene Gittertür, und dann war noch ein Paternoster da. Mir war das zeitweilig entfallen. Es hatte also an mir gelegen, daß ich mich nicht zurechtfand und daß dieselbe Lumenstadt mir nicht mehr wie dieselbe vorgeko m men war.
    Im Zimmer oben setzte ich mich auf das weiche Bett, die Torte, die man in Segmente teilen konnte, legte die Füße hoch und dachte, weni g stens Elektra habe ich sofort erkannt.
    Elektra, sagte ich, du wirst nicht glauben, was alles auf mich zug e kommen ist. Ich konnte plötzlich wieder reden, ich redete, als ob mein Mund eine Öffnung mit einem Fischkopf wäre, aus der das Wasser sprudelt. Ich konnte mit einemmal verstehen, wie sich die alten Krieger in den grauen Vorzeiten gefühlt hatten, wenn sie ein bißchen ang e schlagen, mit einer Beule an der Stirn vielleicht und fremd gekleidet, nach langer Irrfahrt ihr Bett vorfanden und ihre Frau, der sie dann alles erzählen konnten. Es können auch die alten Seeleute gewesen sein und auch die alten Kosmosfahrer, als Raumreisen noch nicht Routine w a ren. Warum fährt eigentlich einer weg und treibt sich dort herum, wo es ihm an den Kragen gehen kann und unheimliche Erscheinungsformen ihn in die Finger kriegen?
    Doch bloß, damit er was erzählen kann. Um etwas erzählen zu kö n nen, geht man das schlimmste Wagnis ein. Um etwas erzählen zu kö n nen, bin ich nach Omega elf gefahren. Der Sinn des Lebens ist, etwas zu erzählen. Wir hatten in der Schule über den Sinn des Lebens deba t tiert. Jetzt schien er mir ganz klar, und weil man hinterher, als Toter, nichts mehr sagen kann, schreibt man am besten vorher alles auf.
    Ich ließ also mit Wonne alles Erlebte aus mir hinaussprudeln. Elektra saß in ihrem Sessel und hörte zu. Ich sah sie hin und wieder an, ob sie es auch wirklich wäre, ein leises Unheimlichkeitsgefühl saß mir noch in den Gliedern.
    Ja, es war Elektra, in Lumenkleidung, aber mit silberblondem Haar, das auf die Schultern fiel. Aber wie saß sie da? Wie blickte sie mich an, als ich ihr die Ballade vom tapferen Merkur vortrug?
    Nein, sie war ernst, sie hörte zu, und trotzdem kam mir ihr Gesicht verändert vor. Ich konnte nicht herausfinden, woran das lag. Die A u genbrauen waren vielleicht dünner gezogen als vorher. Die Augen wir k ten dadurch nackter und auch kühler. Ich überlegte, ob ich ihr von L u dana berichten sollte. Auf der Erde erzählte ich es meinem Kumpel, wenn ich ein ausgefallenes Mädchen getroffen hatte. Wem sollte ich es hier erzählen? Die haben da auch Frauen, sagte ich. Eine sieht wie Schokolade und Honig aus, sie hat sogar drei Augen. Sie heißt Ludana.
    Fein, sagte Elektra. Es interessierte sie anscheinend nicht, und soll man eine Frau mit Berichten quälen, die sie überhaupt nicht hören will?
    Elektra setzte sich zu mir. Merkur, das hast du gut gemacht. Ich war nicht einverstanden, daß du bei den Prudenten einbrachst, aber du hast aus diesem nicht sehr überlegten Anfang etwas gemacht. Und das ist gut. Denn die Beseitigung des Modderwindes ist und bleibt dein Ve r dienst.
    Nun fehlte bloß noch, daß sie mir einen Blumenstrauß in die Hand drückte und einen Orden ansteckte, womöglich eine Goldmedaille für die Beseitigung von üblen Winden, falls es so etwas gibt. Mir war so, als ob sie auf einem Sockel stand wie der Sieger nach Sportwettkämpfen und ich, der wirkliche Sieger, stand unten, und sie neigte sich zu mir herab und hängte mir die Medaille um, wobei ich meinen Hals giraffe n ähnlich strecken mußte. Trotzdem war ich froh, daß ich sie wiederg e funden hatte.
     
     
    22
    Zu meinem Vorhaben, den Prudenten die Vitamin-P-Alge zu bringen, äußerte sich Elektra nicht. Ihrem Gesicht glaubte ich zu entnehmen, daß sie es billigte, aber sie sagte: Zunächst wollen wir unseren Freund Sonnenblume zur Teestunde einladen. Sie holte die kleine Box hervor, in der sie im Raumschiff ihre Teesachen verwahrte, die durchsichtigen Schalen, die Teebeutel, die hauchdünne Blättchen an kaum erkennbaren Fäden waren, die winzigen Perlen aus Zuckerkonzentrat und die i m merwährenden Teerosen, zusammengeschrumpft wie Blumen aus e i nem Herbarium, und in den vier Ecken des Kästchens je eine Ampulle mit einer Flüssigkeit, die farblich meinem speziellen Rettichsaft glich und auch wirklich Rettichsaft à la Merkur Erdenson war.
    Ich wußte gar nicht, daß du deine

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