Universum der Doppelgänger
komm mit!«
»Nicht ohne die Gräfin Andragorre! Sie ist verschwunden …«
»Ich habe sie. Sie ist draußen vor dem Treppenhausfenster, auf deinem fliegenden Teppich. Großartiges Ding, das. Ein Glück, daß dies alles bloß ein Traum ist, sonst hätte ich dir kein Wort geglaubt, als du davon erzähltest. Laß uns jetzt gehen!«
»Fein«, murrte Lafayette. »Eigentlich sollte der Teppich auf meine persönliche Wellenlänge eingestellt sein …«
»Quatsch nicht soviel! In der Wachstube sitzen sie noch bei ihrem Brettspiel, aber das kann sich jede Minute ändern.«
»Warte einen Moment!« flüsterte O’Leary dringlich, als der andere sich zum Gehen wandte. »Gib mir die Schlüssel. Ich habe noch eine Kleinigkeit zu erledigen.«
»Machst du Witze? Ich riskiere alles nur wegen der ungewissen Chance, daß du für mich zur Zelle zurückkommen würdest, statt einfach deinen Teppich zu nehmen und abzuhauen und dich deinem Schicksal zu überlassen – und du faselst von irgendwelchen Sachen, die du noch zu erledigen hast!« Er warf ihm die Schlüssel zu. »Mach, was du willst; ich gehe!«
Lafayette konnte die Schlüssel nicht fangen. Als er den Ring aufgehoben hatte und Lorenzo nachsprang, verschwand dieser bereits um die nächste Ecke.
»Warte mit dem Teppich auf mich!« zischte O’Leary. Hastig untersuchte er die Türen, wählte eine aus, probierte Schlüssel. Die Tür öffnete sich. Aus der Dunkelheit kam ein Grollen wie von einem wütenden Bären. O’Leary warf die Tür zu und drehte den Schlüssel herum, einen Augenblick, bevor ein schwerer Körper sich von innen gegen die Bohlen warf. Er versuchte es mit der nächsten Tür und öffnete sie einen Spalt, eine Hand am Schlüssel.
»Swinhild?« fragte er. Diesmal wurde er mit einem leisen Freudenschrei belohnt. Es raschelte, ein schwacher Knoblauchduft wehte ihn an, und dann hing ein warmer, fester Mädchenkörper an seinem Hals.
»Lafe! Ich dachte schon, du wärst ohne mich weggegangen!« Weiche Lippen preßten sich auf seinen Mund.
»Mmh«, versuchte er zu murmeln und entdeckte dann, daß es ein keineswegs unangenehmes Gefühl war, Swinhild zu küssen. Er widmete sich der Sache für die nächsten dreißig Sekunden …
»Aber sieh mal, Lafe, wir können jetzt nicht ernstlich anfangen«, sagte Swinhild atemlos. »Laß uns schnell von hier verschwinden. Es erinnert mich an zu Hause. Hier, nimm du den Proviant. Das Zeug reibt so, daß ich Blasen davon kriege.«
Sie zog das fettige Päckchen aus ihrem Ausschnitt, und er steckte es in die Rocktasche. Dann nahm er sie bei der Hand und führte sie auf Zehenspitzen durch den Gang.
Sie gelangten ungesehen in den Hauptturm und eilten die Treppe hinauf, als plötzlich eine Etage über ihnen Stimmengewirr ausbrach: scharfe, bellende Kommandos, ein weiblicher Aufschrei, Flüche und unartikulierte Laute, die nach Lorenzo klangen.
»Komm mit!« Lafayette raste die Stufen hinauf. Die Geräusche von scharrenden Füßen, Schlägen und keuchenden Atemzügen wurden rasch lauter. Lafayette erreichte den Treppenabsatz und sah zwei große, uniformierte Kerle im Handgemenge mit seinem früheren Zellengenossen, während ein dritter die Gräfin Andragorre in sicherem Griff hielt. In diesem Moment stieß einer der Männer Lorenzos Füße unter ihm weg, warf ihn aufs Gesicht und pflanzte einen Fuß auf seinen Rücken, um ihn niederzuhalten. Der Mann, der das Mädchen hielt, sah O’Leary, glotzte, öffnete seinen Mund …
Lafayette riß den Umhang um sich, stürzte vorwärts und rammte dem nächsten Wächter seine rechte Faust in die Magengrube. Er schwang herum, traf den anderen mit der Stiefelspitze in die Seite und sprang zur Gräfin Andragorre. Ein Fausthieb traf die Schläfe des dritten Wächters, der sein Opfer fahren ließ und zurücktaumelte. Lafayette packte das Mädchen bei der Hand.
»Keine Angst! Ich bin auf deiner Seite!« zischte er in ihr Ohr, während er sie an den beiden fluchenden und mit wilden Blicken umherstarrenden Männern vorbeizerrte. Einer wollte sie festhalten und wurde mit einem harten Haken gegen den Unterkiefer belohnt, worauf er mit glasigen Augen in die Knie ging. Swinhild erschien, starrte mit weit geöffneten Augen die Gräfin Andragorre an, dann an O’Leary vorbei auf etwas hinter ihm.
»Lafe«, hauchte sie. »Wo hast du diesen Hut her?«
»Schnell! Bring das Mädchen auf den Teppich, der vor dem offenen Fenster dort hängt!« bellte Lafayette und gab der Gräfin einen Stoß, daß sie in
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