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Unmoralisch

Unmoralisch

Titel: Unmoralisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Freeman
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und schließlich das Gesicht und die Lippen, die aussahen, als wollten sie ihr einen makabren Kuss geben.
    Dann richtete sie sich wieder auf, zog ein digitales Tonbandgerät aus der Tasche und sprach ein paar Stichworte hinein.
    Der Wind fuhr ihr durch das volle, schwarze, schulterlange Haar. Sie hatte die wohlgeformte Figur eines Revuemädchens, und die meisten Fremden, die nach Las Vegas kamen, hielten sie anfangs auch für eines. Deshalb hatte sie sich angewöhnt, ihre Polizeimarke gut sichtbar außen zu tragen – das half gegen die unwillkommenen Annäherungsversuche betrunkener Tagungsteilnehmer. Serena war fast eins achtzig groß, langgliedrig und gut proportioniert. Sie trug ein ärmelloses weißes Tanktop, das sie in ihre enge, verwaschene Jeans gesteckt hatte. Ein intensives Fitnesstraining sorgte dafür, dass sie muskulös und durchtrainiert war. Ihre Haut war goldbraun, weil sie die meiste Zeit im Freien verbrachte.
    Serena war Mitte dreißig. Ihre Augen, die meist hinter den apricotfarbenen Gläsern ihrer Sonnenbrille verborgen blieben, waren smaragdgrün. Sie hatte einen kleinen Mund, blasse Lippen und ein sanft gerundetes Kinn. Sie wirkte nicht jung, nicht wie ein junges Mädchen, und das war schon immer so gewesen. Seit dem Teenageralter sah sie genauso aus wie jetzt: erwachsen und wunderschön. Erst seit kurzem entsprach ihr Alter nach all den Jahren endlich ihrem Äußeren. Manchmal, in müßigen Momenten, überlegte sie, wie sie wohl in den Jahren aussehen würde, die noch vor ihr lagen.
    Die Frau zu ihren Füßen hatte sich das wahrscheinlich auch oft gefragt. Aber sie würde es nicht mehr erfahren. Und es war nur gut, dass sie sich selbst so nicht mehr sehen konnte.
    »Alter«, sagte Serena in ihr Tonbandgerät. »Das muss der Pathologe feststellen. Höchstens Anfang zwanzig, denke ich. Todesursache scheint ein Schlag auf den Kopf mit einem stumpfen Gegenstand zu sein. Das Haar am Hinterkopf ist blutverklebt, und obwohl ich die Leiche nicht bewegt habe, sieht es so aus, als wäre der Schädel dort zertrümmert. Haarfarbe ursprünglich schwarz, blond gefärbt.«
    Serena betrachtete den Wüstenboden um die Leiche herum.
    »Sie wurde nicht hier getötet. Zu wenig Blut am Boden. Der Täter muss die Leiche hierher gebracht haben. Die Tote ist unbekleidet, aber es gibt keine offensichtlichen Anzeichen für sexuelle Übergriffe, keine Prellungen im Beckenbereich, keine abgebrochenen Fingernägel, keine Kratzer oder sonstigen Wunden. Wir werden Tests auf Vergewaltigung durchführen. Den Todeszeitpunkt kann ich nicht bestimmen. Ich frage mich auch, ob der Pathologe das in diesem Fall genau sagen kann. Mindestens zwei Tage, würde ich sagen. Die Totenstarre ist längst eingetreten. Wir haben noch Glück, dass wir sie vor den Geiern gefunden haben.«
    Plötzlich kam ihr eine Idee. Vorsichtig berührte sie die verschrumpelte Brust der Frau mit dem Finger. »Dachte ich’s mir doch«, murmelte sie vor sich hin, während sie sich wieder aufrichtete.
    Dann sprach sie weiter in ihr Tonbandgerät. »Sie hat Ohrlöcher, trägt aber keine Ohrringe. Auch keine Uhr und keine Ringe. Finger- und Zehennägel sind rot lackiert. Das Gesicht weist Spuren von starkem Make-up auf. Glittercreme am ganzen Körper.«
    Sie hörte Schritte näher kommen, dann eine Stimme: »Hola.«
    »Pass auf, wo du hintrittst, Cordy«, sagte Serena, ohne sich umzudrehen, obwohl das eigentlich keine Rolle spielte. Sie hatte schon früher Suchaktionen in der Wüste durchgeführt, und es war praktisch nie etwas dabei herausgekommen. Kein Wunder, dass die Gangster im alten Las Vegas ihre Opfer gern in der Mojave-Wüste verrotten ließen.
    Cordy tat beleidigt. »Für was hältst du mich? Bin ich ein Anfänger?«
    Cordero Elias Angel war seit einem halben Jahr ihr Partner. Serena stand bei ihren Vorgesetzten inzwischen in dem Ruf, dass man nur schwer mit ihr zusammenarbeiten konnte, und sie hatte einen hohen Verschleiß an Partnern. Cordy allerdings schien sich zu halten. Er war schlagfertig, tat, was man ihm sagte, und hatte nicht einmal versucht, sie anzugraben. Cordy mochte kleine, blonde, junge Frauen, und keine dieser Eigenschaften traf auf Serena zu. Außerdem war er fast einen Kopf kleiner als sie und sechs Jahre jünger. Es gab keinerlei erotische Anziehung zwischen ihnen.
    Serena konnte sich aufgrund ihres Aussehens vor Angeboten kaum retten. Aber wenn sie sich einmal aus der Reserve locken ließ und mit jemandem ausging, war der Abend in

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