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Unmoralisch

Unmoralisch

Titel: Unmoralisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Freeman
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inne, die Hand starr in der Luft, und sah Stride mit einem merkwürdigen Blick an, als hätte sie etwas Furchtbares gespürt. Dann hob sie vorsichtig die Postkarte an den Ecken auf und drehte sie um. Sie las die Worte, die in roter Tinte darauf standen. Die Buchstaben waren leicht verwischt von den Regentropfen, die darauf gelandet waren.
     
    Er hat den Tod verdient.
    »Scheiße«, entfuhr es Maggie. Sie starrte Stride fassungslos an und schüttelte dann heftig den Kopf.
    »Das kann unmöglich von ihr sein. Das kann nicht von Rachel sein. Die ist tot.«
    »Ich weiß es nicht, Mags. Wie leichtgläubig sind wir denn?«
    Maggie schaute auf den Poststempel. »Las Vegas?«
    Stride nickte. »Die Stadt der verlorenen Seelen«, sagte er.

Vierter Teil
     

1   Drei Jahre später
    Beefy-Bob lebte in einem Wohnwagen an einer Nebenstraße, ein paar Kilometer südlich von Las Vegas. Wie die meisten Gammler im Las Vegas Valley war er einfach aus dem Nichts gekommen. Sein Wohnwagen war vor etwa einem Jahr aufgetaucht. Ein Lastwagen hatte ihn schwankend dorthin gezogen und kaum abgewartet, bis der Wohnwagen stand, bevor er schon wieder in die Stadt zurückgefahren war. Am Tag, nachdem der Wohnwagen sich am Rand der staubigen Straße niedergelassen hatte, stand an der Ausfahrt des California Highway ein handgeschriebenes Schild auf einem Holzstecken.
    Beefy-Bob
    war darauf zu lesen und darunter:
    New-Age-Geschenkartikel
    Erleuchtete Lyrik
    Dörrfleisch
    Bob hatte den hinteren Teil des Wohnwagens durch einen Vorhang abgetrennt, dort einen klapprigen Tisch mit einer Geldkassette aufgestellt und sein Geschäft eröffnet. Er hatte Dutzende Windharfen aus buntem Glas aufgehängt, Magnete in Pyramidenform an einer Metallplatte an der Wand angebracht und die Regale mit Räucherstäbchenhaltern, Kerzen mit Sandelholzduft und handgeschriebener epischer Dichtung gefüllt, die er auf einem altersschwachen Kopiergerät vervielfältigte und sie dann zu Schriftrollen rollte und mit lilafarbenen Bändern umwickelte.
    Aber seine Stammkunden kamen nicht wegen der Windharfen und auch nicht wegen der Dichtung. Sie kamen wegen des Dörrfleischs: Dörrfleisch vom Rind, vom Huhn oder vom Truthahn, das in Geschmacksrichtungen wie »Teriyaki« oder »Cajun« in Schuhkartons in einem alten Kühlschrank aufbewahrt und von dort verkauft wurde. Meist hielten Trucker bei ihm an. Es hatte genügt, dass ein paar einmal aus Neugier vorbeigeschaut hatten, und schon hatte sich die Nachricht wie ein Lauffeuer in der südwestlichen Trucker-Gemeinde verbreitet. Man gab den Tipp weiter: Du fährst nach Vegas? Dann musst du unbedingt bei Beefy-Bob anhalten. Sie kamen zu jeder Tages- und Nachtzeit an allen Wochentagen, und Bob hatte immer geöffnet. Wenn Kundschaft kam, während er gerade schlief, weckte sie ihn einfach auf, und er verkaufte sein Dörrfleisch. So verdiente er genügend Geld im Monat, und hätte er es gespart, er hätte ohne weiteres in die Stadt zurückkehren, ein richtiges Geschäft eröffnen, die Vorschriften des Gesundheitsamts einhalten und Steuern zahlen können, anstatt sich dem Zugriff der Regierung zu entziehen.
    Aber das Geld hielt sich bei Bob nie allzu lange. Die eine Hälfte landete in den Tiefen der Spielautomaten, die andere ging für die Ginflaschen drauf, die er, wenn sie leer waren, einfach aus dem Fenster seines Wohnwagens in die Wüste hinaus warf, wo die Scherben wie ein Meer von Diamanten glitzerten.
    Er hatte schon vor einem Jahr Selbstmord begangen, aber sein Körper hatte bisher nichts davon gemerkt.
    Die Trucker begannen, über ihn zu reden. Vor einem Jahr hatte Bob noch recht normal gewirkt für einen Mann, der am Rand der Wüste in einem Wohnwagen saß. Aber von da an war er jeden Monat mehr gealtert. Er rasierte sich nicht, schnitt sich nur manchmal verfilzte Nester aus dem langen, ergrauenden Bart. Das Haar hing ihm wirr und strähnig auf die Schultern herab. Seine Haut wirkte verschrumpelt und grau, und die Augen saßen tief in den Höhlen. Er aß selbst kaum etwas anderes als Dörrfleisch und nahm dabei immer mehr ab, bis er schließlich kaum noch sechzig Kilo wog. Seine Kleider – Jeans und ein Las-Vegas-T-Shirt, das um seinen mageren Körper herumschlotterte – wusch er nie. Der Gestank wurde so heftig, dass manche Kunden sich weigerten hereinzukommen, und sie wiesen ihn darauf hin, dass auch das Dörrfleisch langsam zu stinken begann. Bob machte einfach nur ein Fenster auf und ließ die trockene, staubige Wüstenluft

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