Unmoralisch
schirmten dabei die Augen mit den Händen ab, um das Licht der Straßenlaternen abzuhalten. Das Auto war verschlossen und leer. Serena versuchte, auf den Vordersitzen oder auf der Rückbank Abfall oder Papiere zu entdecken, aber wenn das Auto tatsächlich Christi Katt gehörte, hatte sie es pieksauber gehalten.
Plötzlich sah Serena ein kleines indisches Mädchen von etwa acht Jahren, das vom Büro her auf sie zukam, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Die Kleine trug ein schlichtes weißes Kleid mit blauer Borte am Kragen, das ihr bis zu den Waden reichte, dazu Sandalen, die auf dem Asphalt klapperten. Das glatte schwarze Haar fiel ihr über die Schultern herab.
Serena winkte ihr zu. »Hallo«, sagte sie. »Weißt du, wem das Auto hier gehört?«
Die Kleine nickte eifrig. »Einer hübschen Dame. Sie wohnt oben.«
Cordy lächelte. »Hast du die hübsche Dame in letzter Zeit mal gesehen?«
»Am Sonntag hab ich sie gesehen. Da ist sie zur Arbeit gefahren. Aber seitdem nicht mehr.«
Es war Mittwochabend.
»War jemand bei ihr, als du sie gesehen hast?«
Das kleine Mädchen überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf.
»Hast du sie auch zurückkommen sehen?«
»Nein«, sagte das Mädchen. »Aber nachts bin ich rausgegangen, um die Sterne zu sehen, da stand ihr Auto genau hier.«
»Um wie viel Uhr war das?«
Sie zuckte die Achseln. »Spät.«
»Steht das Auto seitdem hier?«, fragte Serena.
Das Mädchen nickte. »Ja, genau hier.«
»Danke, Süße.«
Serena und Cordy machten sich auf den Weg zur Treppe und stiegen über die zerknüllten Fastfood-Tüten und Bonbonpapiere, die auf den Stufen lagen, hinauf in den oberen Stock. Cordy klopfte mit Nachdruck an die Tür der Wohnung 204, ohne eine Antwort zu erwarten. Und es kam auch keine. Sie schauten den Flur entlang, um zu sehen, ob vielleicht sonst jemand sie gehört hatte, doch es blieb alles ruhig.
»Handschuhe«, mahnte Serena.
Cordy nickte. Er holte eine flache Schachtel aus der Tasche, und sie zogen sich jeder ein Paar frische weiße Latexhandschuhe über, die sich wie eine zweite Haut um ihre Hände schmiegten.
»Es gibt Leute, die sterben an so was«, bemerkte Cordy.
»An Handschuhen?«
»An einer Latexallergie. Das ist wie bei Erdnüssen. Die Leute bekommen Krämpfe davon.«
»Vielleicht liegt es ja am Salz«, sagte Serena.
»Auf den Handschuhen?«
»Nein, auf den Erdnüssen. Jetzt mach endlich die verdammte Tür auf, Cordy.«
Cordy steckte den Generalschlüssel in das untere Schlüsselloch. Dann drehte er vorsichtig mit zwei Fingern den Türknauf. Das Schloss klickte, und er konnte die Tür aufschieben. Ein Streifen Licht fiel vom Flur nach drinnen, doch der Rest der Wohnung lag im Dunkeln. Cordy ging hinein, tastete nach dem Lichtschalter und drückte vorsichtig mit der Schlüsselspitze darauf.
Als das Licht anging, sah er sich rasch in der Wohnung um und sagte: »Volltreffer, Puppe.«
Serena trat hinter ihm ein. Als Erstes sah sie den eingetrockneten, rotbraunen Fleck von einem guten halben Meter Durchmesser mitten auf dem Teppich. Die Luft in der Wohnung war abgestanden, und man nahm noch den metallischen Geruch von Blut wahr.
»Ich rufe die Spurensicherung an«, sagte Cordy und zückte bereits sein Handy.
Serena nickte. »Sag ihnen, sie sollen auch ein paar Uniformierte schicken, die hier an die Türen klopfen können. Wir müssen genau wissen, wann sie zum letzten Mal gesehen wurde, ob jemand bei ihr war, mit wem sie sich sonst getroffen hat, solche Dinge. Sobald wir hier fertig sind, sehen wir uns im Thrill Palace um. Ach ja, und irgendwer soll Christi Katt in den Computer eingeben. Mal sehen, was dabei rauskommt.«
»Yep«, sagte Cordy.
Während ihr Partner mit der Polizeistation telefonierte, ging Serena durch die Wohnung. Sie war nur klein, hatte einen Wohnbereich, in dem der Mord passiert war, eine winzige Küche und ein Schlafzimmer, in das man durch eine Tür in der hinteren Wand gelangte. Christi hatte sich mit wenigen, billigen Möbeln eingerichtet, darunter eine Couch und ein Zweiersofa, die beide vom Flohmarkt zu stammen schienen, ein Regal aus einem Billigladen, das einen kleinen Fernseher und einen Ghettoblaster beherbergte, und ein paar bunt zusammengewürfelte Tische und Stühle. Der Teppich war grau und abgetragen.
Serena schaltete ihr Tonbandgerät ein. »Die Wohnung wirkt fast steril, es gibt nichts Persönliches darin. Keine Fotos. Keine Poster an den Wänden. Kein Kleinkram oder Nippes, der uns sagen
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