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Unmoralisch

Unmoralisch

Titel: Unmoralisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Freeman
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Händen. Er fiel schwer nach hinten, mit weit aufgerissenen, verschreckten Augen. Aus seiner Kehle kam ein gurgelndes Geräusch, er schien keine Luft zu bekommen, und Schaum und Blut traten ihm aus dem Mund. Sein ganzer Körper zuckte, die Glieder wurden von Krämpfen geschüttelt.
    Serena rappelte sich hoch und rannte zu ihm.
    Bob hatte gerade noch Kraft genug, den Kopf vom Boden zu heben, seinen zerstörten Brustkorb zu betrachten und zu lächeln. Das Blut füllte ihm bereits die Lungen. Er wollte noch etwas sagen, aber die Worte erstarben in einem rasselnden Geräusch, und sein Unterkiefer wurde schlaff. Sein Blick wanderte zwischen ihnen hin und her, die Pupillen waren schwarz und riesengroß.
    »Cordy!«, rief Serena, als die Tür des Wohnwagens aufflog. »Ruf einen Krankenwagen!«
    Aber sie wussten beide, dass Bob schon tot sein würde, bevor sie auch nur eine Sirene hörten. Und Stride begriff, dass er das Geheimnis mit ins Grab nehmen würde.
    Er saß auf dem Rücksitz von Cordys Wagen. Die Tür stand offen, und er ließ die Beine nach draußen baumeln. Zum ersten Mal seit Monaten verspürte er das Verlangen nach einer Zigarette und rieb die Finger aneinander, als hielte er eine brennende Zigarette dazwischen. Ein Schweißtropfen rann ihm über den Nacken und dann weiter den Rücken hinunter.
    Etwa zwanzig Meter entfernt befragten zwei Beamte vom Internen Dienst Serena über den Schusswechsel. Auf ihrem schönen Gesicht lag ein stoischer Ausdruck: Sie offenbarte nichts, kein Sturm der Gefühle schien in ihr zu toben. Aber Stride wusste es besser. Er hatte die Spätfolgen schon bei vielen Kollegen in Duluth beobachtet, selbst bei den zähesten alten Hasen, die unzählige Leichen gesehen hatten. Doch die hatte immer jemand anders umgebracht. Die eigene Waffe abzufeuern, ein Leben auszulöschen und zuzusehen, wie ein anderer Mensch durch das eigene Handeln starb – das war eine niederschmetternde Erfahrung. Viele Polizisten mussten nach einem solchen Erlebnis in psychologische Behandlung, und einige quittierten sogar den Dienst.
    Und dazu noch die vielen Fragen von Leuten, die nicht dabei gewesen waren, die diese schrecklichen Augenblicke nicht miterlebt hatten und sich dennoch anmaßten, das Urteilsvermögen des Betreffenden in Frage zu stellen.
    Stride konnte nichts weiter tun als sitzen zu bleiben und zu warten, bis er an der Reihe war und ihnen erzählen konnte, wie es gewesen war. Es war ein gerechtfertigter Schuss gewesen. Unvermeidlich.
    Die Sanitäter waren viel zu spät gekommen und konnten sich nur noch um die Leiche kümmern. Stride sah zu, wie zwei von ihnen eine Trage durch die Tür des Wohnwagens bugsierten. Bobs Leiche lag unter einem weißen Tuch, in dessen Mitte sich ein roter Fleck ausbreitete, dort, wo das Blut den Stoff durchtränkte. Vom Wüstenboden erhob sich ein staubiger Windstoß, ergriff eine Ecke des Bahrtuchs und schwenkte es wie eine weiße Fahne durch die Luft.
    Stride sah Bobs knochiges, lebloses Bein und den alten Turnschuh, der noch an seinem Fuß steckte. Die Sohle des Schuhs zwinkerte ihm zu wie ein blutunterlaufenes Auge: ein rötliches Oval im Absatz.
    Im selben Moment schien die Welt stillzustehen. Alle Geräusche und Bewegungen verklangen, als hätte jemand eine Musicbox ausgeschaltet, bis er nur noch seinen eigenen, keuchenden Atem hörte und jeden Schlag seines Herzens, das klopfte, als wollte es seinen Brustkorb sprengen.
    Fast erwartete er, dass die Leiche sich auf der Rollbahre wieder aufrichten, dass Bob mit knochigem Finger auf ihn deuten und hämisch kichern würde wie ein Zauberkünstler, der dem Publikum mit seinem letzten Trick den Atem genommen hat. Aber es war kein Trick. Die Sohle und das rote Oval an der Ferse waren unverkennbar, auch wenn sie nach vierjährigem Tragen schon recht abgenutzt waren.
    Bob trug Graemes Schuhe! Die Schuhe, mit denen Graemes Fußspuren hinter der Scheune hinterlassen worden waren. Die Schuhe, die mit Rachel verschwunden waren.
    Stride saß wie erstarrt da und versuchte verzweifelt zu begreifen, was sich da direkt vor seinen Augen offenbarte.
    Und dann, einen Augenblick später, wusste er es.
    Es war ein abgekartetes Spiel gewesen, von Anfang an. Rachel hatte Graemes Schuhe mitgenommen. Sie waren in der Plastiktüte gewesen, die sie bei sich gehabt hatte, als sie das Haus verließ. Und dieser Mann dort – der Tote unter dem Bahrtuch – hatte sie an. Er war an jenem Abend in Duluth mit ihr zusammen gewesen.
    Stride sprang auf und

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