Unmoralisch
sich in Stride verliebt.
Cindy hatte ihn darauf aufmerksam gemacht. Sie hatte Maggies Gefühle für ihn sofort erkannt und ihn gewarnt, sich in Acht zu nehmen, denn Maggies Herz sei so zerbrechlich wie chinesisches Porzellan.
Nach Cindys Tod hatte Maggie ihren ersten und einzigen Annäherungsversuch unternommen. Vor sechs Monaten, als Strides Einsamkeit ihren Höhepunkt erreicht hatte, war sie an einem kühlen Frühlingsmorgen in sein Haus gekommen und zu ihm ins Bett gekrochen. Als er aufgewacht war, hatte er so viel Liebe in ihren Augen gesehen, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Und er war in Versuchung geraten, denn er hatte sich so nach jemandem gesehnt, und Maggie war warm und willig.
Aber dann hatte er sich an Cindys Warnung erinnert und an das zerbrechliche chinesische Porzellan gedacht, und er hatte Nein gesagt. Erst letzten Monat hatte Maggie ihm dafür gedankt. Sie hatte gesagt, er habe Recht gehabt. Es hätte nur ihre Freundschaft zerstört, und eine Beziehung zwischen ihnen hätte ohnehin nicht funktionieren können. Er fragte sich, ob sie das wirklich glaubte.
»Wie war das Gespräch mit den Stoners?«, fragte Maggie.
Stride ging ins Badezimmer, zog sich ganz aus und stellte sich unter die Dusche. Er schlotterte, während das kalte Wasser langsam wärmer wurde. Durch das Rauschen hindurch rief er nach draußen: »Die Mutter sagt, sie hält Selbstmord für ausgeschlossen. Was meinst du dazu?«
»Mütter halten Selbstmord immer für ausgeschlossen«, sagte Maggie. »Aber ich glaube, wenn die Kleine Schluss machen wollte, hätte sie das bestimmt vor aller Augen getan und dafür gesorgt, dass möglichst viel Blut auf den schönen weißen Teppich tropft.«
Stride grinste. Maggie schätzte Rachel schon ganz richtig ein. Dieses Mädchen würde sich bestimmt nicht zurückziehen, um zu sterben.
»Was ist mit Mama und Stiefpapa?«, fragte Maggie ihn. »Du kennst ja die Regel. Immer zuerst die Familie.«
»Sie wollen sich freiwillig einem Lügendetektortest unterziehen«, sagte Stride. »Aber wir müssen die Fragen zuerst Seiner Heiligkeit Archie Gale vorlegen.«
Er hörte, wie Maggie Würgegeräusche von sich gab. »O Mann, ich hasse reiche Eltern. Immer erst den Anwalt anrufen und dann die Polizei.«
Stride griff nach einem Handtuch, trocknete sich die nassen Haare und den Körper. Dann schlang er es locker um die Taille und ging ins Schlafzimmer zurück. »Wir müssen vorsichtig sein«, sagte er. »Du solltest beide überprüfen, aber ganz diskret. Graeme hat sehr deutlich darauf hingewiesen, dass er K-2 kennt.«
»Ja, das hat er mir auch erzählt. Er trifft ihn jede Woche beim Handball. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass K-2 Handball spielt. Zumindest nicht auf einem normal großen Spielfeld.«
Stride lachte. K-2 – der stellvertretende Polizeichef Kyle Kinnick – war kaum größer als Maggie, und selbst der Bürgermeister bezeichnete ihn manchmal als Gnom.
»Wir hatten übrigens Glück mit den Überwachungskameras«, fügte Maggie hinzu. »Kurz nach zehn ist ihr Wagen vorbeigefahren.«
»Eins zu null für Kevin. War sie allein?«
»Zumindest sieht man sonst niemanden im Auto.«
Stride zog eine beigefarbene Dockers an, knöpfte sein weißes Hemd zu und streifte ein dunkelblaues Sportsakko über. »Komm mit, ich brauche noch mehr Kaffee«, sagte er.
Maggie folgte ihm in die Küche. Stride machte das Fenster auf. Die Morgenluft roch nach Frost, und er spürte die Kälte wie Nadelstiche an seinem feuchten Nacken.
»Musst du unbedingt das Fenster aufmachen, wenn es eiskalt draußen ist?«, beschwerte sich Maggie bibbernd.
Stride schenkte Kaffee ein und setzte sich dann an den rustikalen Küchentisch. Er sah, wie Maggie einen Blick auf die Spüle warf, die halb voll mit schmutzigem Geschirr war. Dann schob sie einen Stapel Zeitungen und die Werbepost, die sich in den letzten drei Tagen angesammelt hatte, beiseite, um ein kleines Stück Tisch für ihren Becher frei zu räumen.
»Lebst du eigentlich immer so?«, fragte sie.
Stride zuckte die Achseln. »Warum?«
»Ach, nur so«, sagte Maggie.
»Machen wir weiter«, sagte Stride. »Wir können davon ausgehen, dass sie bis nach Hause gekommen ist, nachdem wir die Aufnahme haben, die sie auf dem Weg dorthin zeigt, und nachdem ihr Auto da ist, wo es sein soll.«
»An dem Auto hat sich nichts Verdächtiges gefunden. Wir nehmen noch Fingerabdrücke, aber ich erwarte mir da nicht viel.«
»Die nächste Frage ist: Ist sie ins Haus gegangen? Was
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