Unnatural History
schrecklichen Lähmung erfasst wurden und ihre physiologische Struktur sich ein weiteres Mal in unvorstellbarem Maße veränderte.
Vor Tollheit grunzende Affenkreaturen verflüssigten sich wie schmelzendes Wachs, mutierten zu echsenähnlichen Wesen. Pelz und Fell fielen von ihnen ab, um Schuppen oder teilweise gar amphibische Hautstrukturen freizulegen.
Groteske Scheußlichkeiten entstanden, als die Körper völlig unter den Wandlungen kollabierten, denen sie ausgesetzt waren. Gestalten, teils Säugetier, teils Reptil gurgelten und zischten im Todeskampf. Dinger mit stumpfen Schnauzen von primitiven Wesen schlitterten durch die aufwirbelnden, ranzigen Nebelschwaden, die Extremitäten noch unsicher, ob sie Klauen oder Flossen sein sollten. Fischaugen blinzelten über zitternden Mündern. Knochen verwandelten sich in flüssiges Fleisch wirbelloser Tiere.
Der beschleunigte Umkehrungsprozess steigerte sich zu einem Chor aus quäkendem Gewimmer, bis sich die krümmenden Körper nicht länger selbst stützen konnten. Allesamt zerfielen sie zu einem Morast protoplasmischen Schlicks, der den mit Teppichen ausgelegten Fußboden des New Crystal Palace mit klebrigem Schleim bedeckte.
Und am anderen Ende der Halle, inmitten des zusammengeflossenen Sekrets, lagen die Überreste eines umgeschneiderten Anzuges.
Kapitel 24
Zeitgeschichte wider die Natur
Ulysses riss die Tür zur Pilotenkanzel auf und begutachtete die Verwüstung. Glas bedeckte in Myriaden glitzernder Scherben den Boden. Die Leichen des Piloten und des Wächters befanden sich noch genau dort, wo sie niedergesunken waren. Kitty Hawke lag besinnungslos mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, ihr Körper ein Nadelkissen für die scharfen Glassplitter. Nur Jago Kane war verschwunden.
Ulysses Quicksilver fluchte. Wieder hatte es Kane geschafft zu entkommen. Scheinbar hatte er mehr Leben als jede Katze! Doch wohin auch immer der mörderische Aufrührer sich verzogen hatte, weit konnte er nicht sein. Mit seinen Verletzungen würde er sich keinen allzu großen Vorsprung verschaffen können. Sofern Kane die Wahrheit gesprochen hatte – und Ulysses’ eigener nagender Verdacht machte ihm weis, dass der Terrorist genau das getan hatte, so unglaublich es auch schien – würde der wirkliche Drahtzieher dieser Geschichte genau in diesem Moment flüchten. Ulysses lehnte sich gegen die verkrümmten Streben der Gondel und starrte auf den verwüsteten Crystal Palace hinab. Sogar durch die Gasmaske hindurch nahm er den Geruch nach verdorbenem Fleisch und Anis wahr, den das sich auflösende Gas verströmte. Inmitten der Bombenkrater und brennenden Schutthaufen bedeckte dicker Schlick den Boden des Gebäudes. Ein gelber Dampf stieg vom Boden empor. Nichts regte sich dort unten, abgesehen von dem gelegentlichen Plopp einer Blase in dem brodelnden Schleim.
Ulysses glaubte, Schritte zu hören. Er sah nach links und konnte sehen, wo die Gondel sich festgefahren hatte. Einer der vielen Wartungsstege war greifbar nahe. Von dort aus konnte der Flüchtling es leicht nach unten geschafft haben und entkommen sein. Dies war der Weg, den Kane ohne Zweifel genommen hatte und welchen Ulysses nun ebenfalls benutzen würde. Auch wenn seine alte Nemesis ihm erneut entkommen war, bestand die Gefahr, dass sich Uriah Wormwood in all dem Chaos und Durcheinander absetzen würde.
Wormwood warf nervöse Blicke um sich, während er eifrigst versuchte, nach außen hin seine ruhige, selbstsichere Überlegenheit zu wahren. Er hatte es zugelassen, dass man ihn zusammen mit der Queen und ihren Dinner-Gästen aus dem Saal evakuierte. Nun stand er an der Seite der an eine Maschine gebundenen Monarchin, gemeinsam mit Victorias persönlichen Bediensteten – den Hofdamen und ihrem persönlichen Arzt, dem französischen Chirurgen Dr. Mabuse. Die gesamte Gesellschaft wurde von einer Leibgarde bewaffneter Polizisten umringt. Fünfzig Meter entfernt befanden sich die schwelenden Überreste des New Crystal Palace, noch immer in inniger Umarmung mit dem darin verkeilten Luftschiff.
Wormwood warf einen flüchtigen Blick auf die Führerin des größten Empires, welches die Welt je gesehen hatte. Das bloße Anheben einer Augenbraue würde seine wahren Gefühle des Ekels und der Verachtung verraten. Sie war weit entfernt von dem öffentlichen Bild der noblen und resoluten Frau, welche ein Viertel der Welt während des größten Teils des letzten Jahrhunderts regiert hatte. Inzwischen war sie
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