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Unpopuläre Betrachtungen (German Edition)

Unpopuläre Betrachtungen (German Edition)

Titel: Unpopuläre Betrachtungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertrand Russell
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Prozess, so dass ihre Abschnitte so wenig bezweifelt werden können, wie die Arithmetik. Glaube und Hoffnung finden so ihren Platz in der marxistischen Lehre.
    Das meiste von Marx' Theorien ist von Hegel unabhängig, aber das Hegelsche Element ist wichtig, weil es die Siegesgewissheit und die Überzeugung beisteuert, mit unwiderstehlichen kosmischen Kräften im Bunde zu sein. Gefühlsmäßig entspricht der Glaube an die Hegelsche Dialektik bei denen, die gegenwärtig in unglücklichen Verhältnissen leben, dem christlichen Glauben an die Wiederkehr des Messias; aber seine vermeintliche logische Grundlage spricht ebenso zu den Hirnen wie zu den Herzen. Seine Macht über die Geister wird nicht so sehr von bürgerlichen Vorurteilen gefährdet, als vielmehr von der empirischen Geisteshaltung der Naturwissenschaft, die nicht glauben will, dass wir über das Universum soviel wissen können, wie die Metaphysiker glaubten. Vielleicht ist die empirische Nüchternheit so schwer, dass die Menschen sie sich nur dann bewahren werden, wenn sie glücklich sind. Wenn dem so ist, dann sind die verschiedenen irrationalen Glaubensbekenntnisse unserer Zeit ein natürliches Ergebnis unserer selbstverschuldeten Unglücksfälle, und neue Katastrophen mögen vielleicht eine neue Ära der Metaphysik heraufführen.
     
    4.
     
    Die Philosophie ist ein Abschnitt der verstandesmäßigen Entwicklung und ist nicht mit geistiger Reife zu vergleichen. Damit sie blühen kann, müssen überlieferte Lehren immer noch geglaubt werden, aber nicht so fraglos, dass man nie nach Beweisen dafür sucht; es muss auch die Überzeugung geben, dass bedeutsame Wahrheiten durch bloßes Denken entdeckt werden können, ohne die Hilfe der Beobachtung. Diese Überzeugung gilt von der reinen Mathematik, die viele große Philosophen inspiriert hat. Sie trifft auf die Mathematik zu, weil diese Wissenschaft ihrem Wesen nach eine Wissenschaft der Worte ist; auf anderen Gebieten gilt sie nicht, weil der Gedanke allein nicht eine außerwörtliche Tatsache setzen kann. Wilde und Barbaren glauben an einen magischen Zusammenhang zwischen Personen und ihren Namen, so dass sie es für gefährlich halten, einen Feind ihre Namen wissen zu lassen. Es ist schwer, den Unterschied zwischen Worten und dem, was sie bezeichnen, stets vor Augen zu haben; die Metaphysiker neigen, wie die Wilden, zum Glauben an einen magischen Zusammenhang zwischen Worten und Dingen, oder doch zumindest zwischen der Satzlehre und dem Aufbau der Welt. Sätze haben Subjekte und Prädikate; daher besteht die Welt aus Substanzen und Attributen. Bis vor ganz kurzem hielten fast alle Philosophen dies Argument für triftig; oder besser, sie standen unter seinem Einfluss, fast ohne es selbst zu wissen.
    Neben der Verwechslung der Sprache mit dem, was sie bezeichnet, gibt es eine zweite Quelle für den Glauben, dass der Philosoph Tatsachen durch bloßes Nachdenken auf die Spur kommen könne; das ist die Überzeugung, dass die Welt ethisch befriedigend sein muss. Dr. Pangloss kann in seiner Studierstube feststellen, welches Universum seiner Denkungsart als das beste erscheinen würde; er kann sich auch selbst einreden, solange er in seiner Studierstube sitzen bleibt, dass das Universum darauf abzielt, seine ethischen Forderungen zu erfüllen. Bernard Bosanquet, bis zu seinem Tode ein anerkannter führender britischer Philosoph, behauptete in seiner »Logik«, vorgeblich aus logischen Gründen, dass es »schwer wäre, zum Beispiel an die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe zu glauben, die eine fortschrittliche Zivilisation wie die des neuzeitlichen Europa und seiner Kolonien begraben würde«. Die Fähigkeit, an tröstliche politische Folgen der »Gesetze des Denkens« zu glauben, ist ein Zeichen der philosophischen Voreingenommenheit. Die Philosophie entspringt, im Gegensatz zur Naturwissenschaft, einer Art Selbstbehauptung: einem Glauben, dass unsere Ziele zu denen des Universums in bedeutsamer Beziehung stehen und dass der Gang der Ereignisse auf lange Sicht und im Allgemeinen unseren Wünschen entsprechen muss. Die Naturwissenschaft hat diesen Optimismus aufgegeben, ist aber auf dem Wege zu einem anderen: dass wir nämlich durch unsere Intelligenz die Welt so gestalten können, dass sie einen großen Teil unserer Wünsche erfüllt. Das ist ein praktischer Optimismus, im Gegensatz zum metaphysischen. Ich hoffe, er wird kommenden Generationen nicht so töricht erscheinen wie der des Dr. Pangloss.
     
    [1]
Die zwei

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