Unsanft entschlafen
ich.
»Mr. Hurlingford ist nicht zu
Hause.« Die Stimme wurde noch kühler.
»Mein Name ist Boyd, es ist
dringend«, knurrte ich. »Sparen Sie sich also die langen Reden und verbinden
Sie mich endlich.«
»Mr. Boyd.« Die Stimme taute
etwas auf. »Ja, natürlich. Mr. Hurlingford hat strikte Anweisung gegeben, jeden
Anruf von Ihnen sofort durchzustellen. Aber leider ist er wirklich unterwegs,
und wir wissen nicht, wann er zurückkommt.«
»Wo ist er denn?«
»Es tut mir leid, Sir, aber das
weiß ich leider auch nicht.«
»Sagen Sie ihm bitte, wenn er
nach Hause kommt, er möchte mich gleich anrufen.«
»Selbstverständlich, Mr. Boyd.«
Damit legte er auf.
Ich zog die Liste der Namen,
die mir Miss Soong gegeben hatte, aus meiner Innentasche. Dazwischen steckte
die Klappe des Umschlags, auf die sie mir ihre Telefonnummer geschrieben hatte.
Das Telefon klingelte viermal, dann klang eine verschlafene Stimme an mein Ohr.
»Hier ist Danny Boyd«, meldete
ich mich. »Ich muß Sie sofort sprechen.«
»Unmöglich«, erwiderte sie
matt. »Ihre Anweisung lautet, sich mit Mr. Hurlingford in Verbindung zu setzen,
wenn Sie etwas Wichtiges mitzuteilen haben. Das wissen Sie.«
»Das habe ich eben versucht«,
sagte ich knapp. »Er ist unterwegs, niemand weiß, wann er zurückkommt. Also
bleiben nur Sie. Wie ist die Adresse?«
»Sie können mir Ihre Nachricht
doch auch telefonisch durchgeben«, sagte sie in demselben matten Tonfall.
»Ich bin heute
abend gegen zehn Uhr fünfzehn in meine Wohnung zurückgekommen, um mich
mit Jenny Shaw zu treffen«, fauchte ich. »Ich habe sie auch vorgefunden — in
meinem Wohnzimmer ausgestreckt, mit etwa fünf Kugeln im Bauch.«
Ich hörte, wie sie am anderen
Ende der Leitung nach Luft schnappte. »Ist sie tot?« fragte Marie Soong leise.
»Denken Sie vielleicht, sie
kann nach fünf Treffern noch Mambo tanzen?« erwiderte ich brutal. »Die Polizei
hat mir genau bis ein Uhr Zeit gegeben, um zu sagen, wer mich mit der Suche
nach Irene Mandell beauftragt hat. Geben Sie mir jetzt Ihre Adresse?«
»Ich habe ein Apartment im Marguerite
Hotel, East 48th Street«, sagte sie schnell. »Kennen Sie es?«
»Natürlich«, bestätigte ich.
»Der Portier und ich waren früher einmal gut befreundet, bevor er auf die
angenehmen Seiten des Lebens verzichtet und geheiratet hat.«
»Die Zimmernummer ist 807«,
sagte sie gepreßt. »Beeilen Sie sich, Mr. Boyd!«
Als ich an die Tür von Nr. 807
klopfte, war es fünf Minuten vor zwölf. Marie Soong öffnete mir sofort mit
einem besorgten Ausdruck in den saphirblauen Augen und bleicheren Wangen als
gewöhnlich. Sie trug eine flamingofarbene Kimono-Jacke aus Satin über hautengen
Satinhosen, und der Effekt war ungeheuer. Die Kurven, die sich unter dem Satin
abzeichneten, waren von zarter Perfektion.
»Kommen Sie herein, Mr. Boyd«,
sagte sie melodisch. »Wir warten schon auf Sie.«
»Danke, Marie.« Ich trat an ihr
vorbei in die Suite und verhielt dann plötzlich den Schritt. »Wir?«
»Was soll das eigentlich alles,
Boyd?« verlangte eine autoritative Stimme zu wissen. »Diese Shaw ist ermordet
worden, und Sie sollen der Polizei meinen Namen preisgeben...«
Da saß er auf einem Sessel in
der entferntesten Ecke des Zimmers, der Mann mit dem wettergegerbten Gesicht,
den breiten Schultern und dem Verlagskonzern. Er trug einen mitternachtsblauen
Smoking, der ihm jenes distinguierte Äußere verlieh, das sich so gut bezahlt
macht — wenn man mit einem Glas oder einer Zigarette in der Hand vor der Kamera
posiert.
Ich verringerte die räumliche
Entfernung zwischen uns um die Hälfte, ließ mich dann auf einen Stuhl fallen
und steckte mir eine Zigarette an.
»Nun?« drängte Hurlingford
ungeduldig. »Ich warte auf eine Antwort.«
»Sie hätten mir eine Menge
Scherereien ersparen können, wenn Sie diese Adresse bei Ihrem Butler, oder wer
das auch immer am Telefon war, hinterlassen hätten.«
»Das ist doch jetzt ganz
unwichtig — ich will wissen, was passiert ist.«
»Jenny Shaw ist heute abend in meiner Wohnung ermordet worden«, sagte ich.
»Jemand hat ganze Arbeit geleistet. Mir blieb nichts anderes übrig, als die
Polizei zu rufen. Ein gewisser Leutnant Bixby bearbeitet den Fall. Er will vor
allem wissen, wer mich mit der Suche nach Irene Mandell beauftragt hat.«
»Haben Sie es ihm gesagt?«
fragte Hurlingford.
»Ich habe ein Abkommen mit ihm
getroffen«, sagte ich geduldig. »Er hat mir bis ein Uhr Zeit gegeben — dann muß
ich ihm Ihren
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