Unsanft entschlafen
deren Inhalt weggeschafft, mir blieben nur die Blutspuren, die
langsam im Teppich eintrockneten. Der Leutnant hatte mich einem routinemäßigen
Verhör unterzogen, und seiner Miene nach zu schließen wollte er gleich noch
einmal von vorn beginnen. Das war sein gutes Recht, denn seit ich vor etwa
einer Stunde die Polizei benachrichtigt hatte, gab er hier den Ton an.
Er hieß Bixby und mußte, obwohl
nur mittelgroß, etwa zwei Zentner wiegen. Die dicken, aufgeschwemmten Wangen
verliehen ihm den sanften Ausdruck engelhafter Unschuld, sofern man nicht in
seine gewieften, stahlharten Augen blickte, die fast unter den Fettwülsten
verschwanden.
»Also gut, Boyd«, sagte Bixby
in heiterem Ton, der mich jedoch nicht täuschen konnte. »Lassen Sie uns noch
ein paar Fakten durchgehen. Sie hieß Jenny Shaw und war als Hausmädchen bei
einem gewissen Lowell tätig. Ihr Arbeitgeber wohnt in der Fifth Avenue an der von Ihnen angegebenen Adresse, stimmt’s?«
»Stimmt.«
»Jemand hat Sie engagiert, um
eine Schauspielerin ausfindig zu machen, die vor zwei Jahren verschwunden ist,
und Sie haben herausgekriegt, daß diese Jenny Shaw ihre Garderobiere war. Heute nachmittag suchten Sie nun Lowell auf, und das Mädchen
sagte Ihnen, daß sie Ihnen Informationen geben könne. Daher trafen Sie mit ihr
eine Verabredung um zehn Uhr hier in Ihrer Wohnung und händigten ihr den
Wohnungsschlüssel aus. Stimmt das?«
»Jawohl.«
»Gegen zehn Uhr fünfzehn kamen
Sie nach Hause und fanden sie ermordet vor. Mehr wissen Sie nicht.«
»So ist es.«
»Sie sind ihr heute nachmittag in Lowells Wohnung zum erstenmal in Ihrem
Leben begegnet?«
»Ja.«
»Wie Sie das bei den Damen
anstellen.« Er pfiff bewundernd. »Fünf Minuten vertrauliches Geplauder in der
Diele, und sie ist selig, Ihren Schlüssel nehmen und am späten Abend in Ihre
Wohnung kommen zu dürfen. Ob das an der männlich-herben Duftnote Ihres
Rasierwassers liegt?«
»Ich hatte noch eine frühere
Verabredung — um acht«, sagte ich vorsichtig. »Falls sie wirklich etwas über
diese Mandell wußte, wollte ich es so schnell wie möglich erfahren. Meine
Wohnung schien mir der geeignetste Treffpunkt zu sein.«
»Vielleicht sind Sie schon ein
bißchen vor zehn zurückgekommen«, sagte Bixby mit freundlichem Schnaufen, »und
haben Sie selber umgebracht?«
»Was hätte ich für ein Motiv?
Daß sie mir meinen Wohnungsschlüssel nicht zurückgeben wollte?« fragte ich.
»Wer hat Sie beauftragt, diese
Schauspielerin zu suchen?«
Ich steckte mir eine Zigarette
an und überlegte einige Sekunden. »Ich habe eine vertrauliche Abmachung mit ihm
getroffen, Leutnant«, sagte ich. »Er wollte, daß sein Name unter keinen
Umständen erwähnt wird, und jetzt, nachdem ein Mord geschehen ist, wird das
doppelt wichtig.«
Der Leutnant musterte mich
kühl. »Sie sollten es doch besser wissen, Boyd. Nicht, daß ich Sie besonders
liebe, aber wenigstens gehören Sie nicht zu diesen Schlawinern, die abgekartete
Scheidungsgründe und bestellte Alibis liefern. Dies Loyalitäts-Getue zwischen
Klient und Privatdetektiv mag sich ja auf dem Bildschirm ganz gut machen, aber
hier geht’s um die rauhe Wirklichkeit. Ich brauche
Ihnen doch wohl nicht die ganze Liste aufzuzählen, wie? Zurückhaltung von
entscheidendem Beweismaterial, unentbehrlichen Zeugen...«
»Sie könnten mir wenigstens
eine Chance geben«, unterbrach ich ihn nicht sehr hoffnungsvoll.
»Inwiefern?« raunzte er.
»Etwa zwei Stunden, damit ich
meinen Klienten informieren kann. Mir ist es lieber, ich sagte ihm, was
passiert ist, als Sie.«
Bixby machte eine Schau daraus,
auf seine Armbanduhr zu gucken. »Es ist jetzt elf Uhr dreißig«, sagte er. »Sie
haben Zeit bis ein Uhr, also anderthalb Stunden.«
»Danke«, sagte ich fast
ungläubig.
»Das ist kein Gefallen, den ich
Ihnen tue«, grunzte er. »Ich muß ohnehin diesen Lowell vernehmen und die Dame,
die Sie in Greenwich Village besucht haben. Jean
Vertaine war doch wohl der Name?«
»Ja«, bestätigte ich.
»Sie rufen mich an«, sagte er,
während er zur Tür watschelte, »oder ich mache Konfetti aus Ihrer Zulassung und
Hackfleisch aus Ihnen.«
Die Wohnungstür knallte hinter
ihm ins Schloß. Er hatte das letzte Wort behalten, das war sein Privileg, er
vertrat das Gesetz.
Ich wählte die Nummer, die mir
Hurlingford gegeben hatte, und wartete ungeduldig, bis sich endlich eine
sonore, aber kühle Stimme meldete.
»Hier bei Mr. Hurlingford.«
»Ich hätte ihn gern
gesprochen«, sagte
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