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Unsanft entschlafen

Unsanft entschlafen

Titel: Unsanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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beobachtete mich
von ihrem Stuhl aus. »Haben Sie ihm über Frank Bescheid gesagt?«
    »Hurlingford soll hierbleiben,
bis er eintrifft«, sagte ich, »was meiner Meinung nach nicht lange dauern
wird.«
    »Das verzeiht Ihnen Frank nie«,
sagte sie leise.
    »Wir haben alle unser Kreuz zu
tragen«, erwiderte ich, »und meines wiegt zur Zeit besonders schwer. Ich habe
ein ekelhaftes Gefühl in der Magengegend. Auf Wiedersehen, Marie. Ich kann
nicht sagen, daß es ein Vergnügen war. Eher das Gegenteil.«
    Ich trat auf den Flur hinaus
und schloß leise die Tür. Während ich das Hotel verließ und zu meinem Wagen
ging, dachte ich darüber nach, was wohl ein Gangster tut, der seinen Boss
bewußtlos geschlagen und dann auch noch an die Polizei verpfiffen hat.
Vermutlich bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Branche zu wechseln. Aber
das ist der Fehler, wenn man nachdenkt. Man achtet nicht mehr auf die Wirklichkeit.
So, wie ich in meinen Wagen stieg, ohne den Rücksitz zu beachten; und das war
ein besonders schwerer Fehler.
    Der kalte Rand eines
Pistolenlaufs, der sich in meinen Nacken preßte, bestätigte dies zehn Sekunden
später.
    »Wir hatten so ein anständiges
Geschäft gemacht«, flüsterte eine dumpfe, leblose Stimme in mein Ohr, »und Sie
mußten die Sache platzen lassen.«
    Ich erkannte die Stimme — wer
hätte das nicht getan? Sie gehörte dem Alptraum Mannie Karsh.
    »Mannie«, sagte ich gepreßt,
»ich...«
    »Zu spät für schöne Worte,
Freundchen.« Seine Stimme war noch immer völlig monoton. »Jetzt sind Sie dran.«
     
     
     

6
     
    Ich fuhr nach seinen Angaben zu
den Wohnvierteln hinaus und vergaß dabei keinen Augenblick, daß der Lauf, der
sich in meinen Nacken bohrte, zu einer .357er Magnum gehörte.
    »Mannie«, begann ich
vorsichtig, weil ich ihn nicht nervös machen wollte, »ich habe unser Geschäft
nicht platzen lassen.«
    »Wer sonst?«
    »Ich habe Irene Mandells Garderobiere gefunden«, fuhr ich fort. »Sie wollte
mit mir reden, und wir waren für heute abend um zehn
Uhr in meiner Wohnung verabredet. Ich hatte ihr meinen Schlüssel gegeben.«
    »Manche Leute reden gern,
andere wieder nicht«, konstatierte Mannie. »Ich mache es keinem schwerer als
nötig; wenn das Reden Sie erleichtert, lassen Sie sich nicht stören.«
    »Ich kam etwa um Viertel elf
nach Hause«, knirschte ich. »Sie war auch da — aber tot. Jemand hat sie
erschossen, Mannie. Sie hatte fünf Kugeln in der Brust. Ich dachte, Sie könnten
das vielleicht gewesen sein?«
    Hinter mir hörte ich einen
trockenen, rostigen Laut. Es dauerte Sekunden, bis ich begriff, daß Mannie
lachte.
    »Ich und fünf Schuß?« Er mußte
wieder lachen. »Sie sind vielleicht ein Komiker. Ich kann nicht einmal sauer
sein, wenn Sie so was sagen.«
    »Ich hatte den Job schon
aufgegeben«, versicherte ich ihm. »Deshalb war ich vorhin in dem Hotel — um
mich von meinem Klienten zu verabschieden. Sie haben keinen Grund, mich
umzulegen, Mannie.«
    »Kommt jetzt die Seelenmasche,
Freund?« Seine Stimme war wieder unbewegt. »Haben Sie vielleicht eine
verwitwete Mutter, drei Kinder im Krankenhaus und eine herzkranke Frau zu
bieten?«
    »Ich habe allerhand
Informationen zu bieten, die Ihren Boss Lou Kestler sehr interessieren würden«,
fauchte ich. »Doch wenn Sie stur genug sind, Ihren Auftrag auszuführen, wird er
sie nie erfahren. Aber wenn ich Ihnen auch einiges zutraue — dumm sind Sie
jedenfalls nicht.«
    Er ließ sich lange Zeit mit
einer Antwort, und die Temperatur im Wagen sank beständig.
    »Jetzt versuchen Sie faule
Tricks, Boyd«, sagte er schließlich. »Wenn Lou sagt, daß ich Sie erledigen
soll, und ich lasse Sie laufen, weil Sie angeblich was für Lou auf Lager haben,
wird Lou wild. Abgesehen davon habe ich einen Ruf zu wahren.«
    »Lou wird die Ohren spitzen,
wenn ich zu reden anfange«, sagte ich zuversichtlicher, als mir zumute war.
»Das garantiere ich.«
    »Okay.« Diesmal zögerte Mannie
nicht. »Wir werden ja sehen. Und falls Sie sich geirrt haben, Freundchen,
garantiere ich Ihnen was — nämlich eine ausgiebige Spezialbehandlung, bis Sie
nur noch den einen Wunsch haben, endlich tot zu sein.«
    »Das ist es, was ich so an
Ihnen schätze, Mannie«, sagte ich. »Ihr weiches Herz.«
    »Wenden Sie«, flüsterte er.
»Wir fahren in die Stadt zu Lou.«
     
    Mike’s Place verkündete die blaue
Neonschrift über der Tür, aber ich habe Mike nie zu Gesicht bekommen. Als wir
eintraten, blieb Mannie mir so dicht auf den Fersen, daß ich

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