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Unsanft entschlafen

Unsanft entschlafen

Titel: Unsanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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Wohnung
zurückkam, war es kurz nach zwei Uhr nachts. Die Blutflecke auf dem Teppich
waren eingetrocknet und erinnerten beständig daran, daß Jenny Shaw hier
gestorben war. Ich goß mir einen Whisky ein, und der erste Schluck rann noch
durch meine Kehle, als die Klingel ertönte.
    Bevor ich zur Tür ging, nahm
ich die .38er Masterpiece aus dem Schreibtischschubfach, denn es gab keine
Garantie, daß Kestler seine Meinung nicht kurzfristig erneut geändert hatte.
Sicher war sicher. Aber nicht Mannie Karsh stand auf der Schwelle, sondern als
reizvolle Überraschung Marie Soong.
    Sie war fast völlig in einem
gewaltigen Pelzmantel verschwunden, und nur die Nasenspitze und die
saphirblauen Augen guckten über den Kragenrand.
    »Darf ich reinkommen?« fragte
sie in mattem Flüsterton.
    »Wie können Sie das fragen!«
Ich riß die Tür so weit auf, wie es ging.
    Marie schwebte an mir vorbei
ins Wohnzimmer und ließ sich auf die Couch sinken, die Hände tief in den
Taschen ihres Pelzmantels vergraben, den sie noch enger um sich zog.
    »Ich hätte gern etwas zu
trinken, Danny«, sagte sie mit derselben kleinen Stimme.
    »Was darf ich Ihnen denn geben?«
    »Das ist egal. Auf jeden Fall
viel.«
    Ich goß Kognak in ein
Ballonglas und gab es ihr. »Sie sehen erschöpft aus.«
    Sie lächelte schwach und nahm
erst einen kräftigen Schluck, bevor sie antwortete. »Sie haben recht. Kann ich
eine Zigarette bekommen?«
    »Natürlich.« Ich bot ihr eine
an und gab ihr Feuer. »Ich würde mich zwar gern in dem Glauben wiegen, daß mein
Profil seine Wirkung doch nicht verfehlt hat, aber so wie Sie aussehen, kann
ich mich nicht des häßlichen Gefühls erwehren, daß Sie etwas ganz anderes auf
dem Herzen haben.«
    Sie leerte ihr Glas und hielt
es mir entgegen. »Bitte noch, Danny.« Ich nahm die Flasche und schenkte ihr
nach, wobei mir auffiel, daß ihre Hand leicht zitterte.
    »Mir sind ja schon manche
Alkoholikerinnen untergekommen«, sagte ich, »aber Sie sind die erste, die schon
am frühen Morgen anfängt. Leiden Sie etwa unter Schlaflosigkeit?«
    »Mein Problem ist moderner«,
sagte sie mit dem Versuch zu lächeln. »Ich bin eine Vertriebene.«
    »Wie?«
    »Erinnern Sie sich, daß ich
sagte, ich würde mit Hurlingford allein fertig werden?«
    »Allerdings.«
    »Ich habe mich noch nie im
Leben so geirrt«, sagte sie.
    »War er wütend?«
    »Dieser Leutnant kam, bevor er
richtig loslegen konnte.« Marie lächelte mir über den Rand des Glases zu.
»Daher war zuerst alles einigermaßen okay, und ich dachte, er sei drüber weg.
Aber als dann der Leutnant fort war, fing er an.«
    »Wurde er gewalttätig?«
    »Er wird immer gewalttätig«,
erwiderte sie kurz. »Diesmal hatte er einen neuen Dreh — ich hätte ihn
hintergangen, und damit wäre Schluß zwischen uns. Er würde alles zurücknehmen,
was ihm gehöre, und mit der Wohnung fing er an.«
    »Er hat Sie also
rausgeschmissen?« fragte ich intelligent.
    Ihre saphirblauen Augen hatten
einen deprimierten Ausdruck. »Er hat mich rausgeschmissen«, wiederholte sie.
»Mr. Francis Hurlingford bedarf der Dienste von Miss Marie Soong nicht mehr.
Der Herausgeber und Verleger hat für die Sekretärin und für die Geliebte ab
sofort keine Verwendung mehr. Aber ich kann nicht sagen, daß er unfair gewesen
wäre, Danny. Er behielt nur die Dinge, für die er gezahlt hat, die Wohnung, die
Möbel, meine Kleider. Dieser Mantel«, sie zuckte unter dem schweren Pelz mit
den Schultern, »gehört mir, also ließ er ihn mir. Es ist kein sehr guter Pelz,
im Vertrauen gesagt, nur eine Nerzimitation, aber ich hatte ihn schon, bevor
ich Frank kennenlernte, und daher durfte ich ihn behalten.«
    »Nur den Mantel?« fragte ich
ungläubig.
    »Und was ich darunter trage.
Dann hat er mich rausgeschmissen.«
    Ihr Glas war wieder leer, und
sie ließ es, als sie aufstand, auf den Teppich fallen. Ich beobachtete sie,
während sie langsam den Mantel aufknöpfte und schließlich auszog. Darunter trug
sie nur einen BH und ein spitzenbesetztes Höschen. Auf der Schulter hatte sie
eine häßliche Wunde.
    »Er wär doch fair, nicht wahr,
Danny?« fragte sie mit kläglicher Stimme. »Streng genommen, sagte er, gehöre
mir nicht einmal diese Wäsche, aber er wollte nicht, daß ich mich erkälte.«
    »Das ist doch nicht etwa nur
gut erfunden?« erkundigte ich mich vorsichtig. »Er hat Sie tatsächlich mitten
in der Nacht in der Unterwäsche und mit einem Pelz aus der Wohnung geworfen?«
    »Sie sind ein bißchen schwer
von

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