Unsanft entschlafen
seinen Atem im
Genick spürte. Die Magnum hielt er in der Manteltasche schußbereit. Die
Innenbeleuchtung der Pinte war gleichfalls blau, sofern man überhaupt von
Beleuchtung reden konnte. In klaren Nächten mochte es möglich sein, das Gesicht
seines Nachbarn an der Bar zu erkennen, aber selbst das erschien mir
zweifelhaft. Mannie dirigierte mich flüsternd durch den Schankraum zu einer Tür,
die in einen schmuddeligen Flur führte. Von dort gelangten wir über zwei
Treppen zu einer weiteren Tür.
Mannie drückte den
Klingelknopf, und die Tür tat sich fast umgehend auf. Ein stumpfgesichtiger
Kerl mit widerlichen Augen starrte mir ausdruckslos entgegen.
»Es ist okay, Johnnie«, sagte
Karsh ruhig. »Wir wollen zu Lou.«
Der Kerl zog die Tür weiter auf
und trat beiseite, um uns einzulassen. Als wir in das Wohnzimmer kamen,
versanken meine Füße im Teppich, und ich mußte erst zweimal blinzeln, um die
enorme, strahlend erleuchtete Bar zu erfassen, die den gesamten Raum dominierte
und den Wunschvorstellungen eines Alkoholikers nachempfunden schien.
Auf einem Barhocker thronte mit
dem Rücken zu uns eine langhaarige Blondine in einem Goldlaméekleid ,
das bis zum Steißbein dekolletiert war. Sie wandte den Kopf und starrte uns mit
einem Gesichtsausdruck entgegen, der ebenso der Intelligenz ermangelte wie ihre
Wirbelsäule der Textilien.
Hinter der Bar stand ein adrett
aussehender Mann mit sorgfältig gewelltem grauem Haar und einem gepflegten
rabenschwarzen Schnurrbart. Er trug einen wundervollen Smoking aus
cremefarbenem Kammgarn und dazu eine kastanienbraune Fliege, die apart mit der
spitzenbesetzten Vorderpartie des Hemdes kontrastierte. Das warme Lächeln auf
seinem Gesicht erstarrte zu Eis, als er aufblickte und uns sah.
»Er will mit dir sprechen,
Lou«, sagte Mannie sanft. »Ich glaube, alles, was wir dabei verlieren können,
ist Zeit.«
»Ja.« Kestler kniff sich mit
Daumen und Zeigefinger einen Augenblick lang in die Nasenspitze. »Okay. Pearl,
verschwinde für ein Weilchen.«
»He«, beschwerte sich die
Blondine mit schriller Stimme. »Willst du mich rausschmeißen, Lou?«
»Ich habe zu tun«, sagte
Kestler geduldig. »Sag Johnnie, er soll mit dir runtergehen und dir ein paar
Whiskys spendieren. Und komm in einer halben Stunde zurück.«
»Na schön«, sagte sie
zweifelnd. »Aber ich dachte, du hättest zum Arbeiten ein Büro oder so.«
»Schätzchen!« Das warme Lächeln
kehrte kurz zurück. »Soll ich dir die Zähne einschlagen — vor einem Fremden?«
Die Blonde rutschte eilig von
ihrem Hocker und rannte fast aus dem Zimmer. Ihr verlängerter Rücken wirkte in
Bewegung ausgesprochen anregend, und ich war eigentlich etwas enttäuscht, als
sich die Tür hinter ihr schloß und ich der unerfreulichen Realität von Kestler
und Mannie Karsh überlassen blieb.
Auf der Bartheke stand ein großer Mixbecher, halbvoll mit einer Flüssigkeit, die wie Dry Martini
aussah. Kestler rührte gedankenvoll mit einem dünnen Glasstäbchen darin herum
und füllte dann sein Glas.
»Eines ist sicher«, begann er
im Plauderton, »Sie müssen vorhin wirklich gut gewesen sein, wenn sich Mannie
bewegen ließ, Sie hierher zu bringen, Boyd. Jetzt müssen Sie noch sehr viel
besser sein. Ich habe nämlich Ihretwegen mit Mannie einen Vertrag geschlossen.
Für mich sind Sie bereits tot, und ich ändere meine Entschlüsse äußerst ungern.
So was schadet dem Geschäft — es könnte schließlich heißen, daß Lou Kestler nachläßt.«
Ich berichtete ihm, wie ich
Jenny Shaw tot in meiner Wohnung aufgefunden hatte, daß die Polizei den Namen
meines Auftraggebers im Falle Mandell zu erfahren verlangt hatte, und wie es
mir gelungen war, einen Aufschub von anderthalb Stunden zu erreichen, um meinen
Klienten vorher wenigstens zu informieren.
Kestler nippte an seinem
Martini und schien nicht sonderlich beeindruckt.
»Mannie hat sich doch klar
genug ausgedrückt«, sagte er in leicht vorwurfsvollem Ton. »Entweder Sie
steigen aus, oder Sie sind geliefert. Ich habe Ihnen sogar noch zweitausend
Piepen zukommen lassen. Wie eine Mutter bin ich zu Ihnen gewesen, und zum Dank
dafür spucken Sie mir ins Gesicht.«
»Ein Mädchen, das auspacken
will und dann in meiner Wohnung ermordet wird, ist für meinen Beruf kein
Renommee«, erwiderte ich. »Wenn ich so etwas auf sich beruhen lasse, bin ich
als Privatdetektiv erledigt. Wer will schon einen Mann beschäftigen, der ruhig
zusieht, wie seine Informanten umgelegt werden?«
»Das ist
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