Unsanft entschlafen
keine Eile, Kindchen«,
versicherte ich ihr ernsthaft. »Du brauchst nichts zu überstürzen, sondern
kannst getrost hier wohnen bleiben, bis du etwas Passendes gefunden hast. Laß
dir ruhig ein paar Wochen Zeit.«
»Du bist auf deine Art sehr
süß, Danny.« Sie lächelte mir behutsam zu. »Aber ich habe plötzlich das
dringende Bedürfnis, eine Zeitlang allein zu leben. Du bist heute
nacht ganz bezaubernd gewesen, aber die Erinnerung an den guten Francis
ist im Moment noch zu frisch.«
»Na gut«, erwiderte ich
zögernd. »Wie stehen denn deine Finanzen, wenn Francis nicht sofort mit der
Abfindung rausrückt?«
»Das ist kein Problem«, sagte
sie. »Ich habe ein ganz ordentliches Bankkonto.«
»Dann tu mir doch bitte einen
Gefallen«, sagte ich. »Laß mich die Abfindung für dich abholen — gebührenfrei.«
»Willst du das?«
»Sogar mit Vergnügen«,
erwiderte ich heiter. »Es gibt mir einen guten Vorwand, noch einmal in den
Verlag einzudringen.«
»Von mir aus herzlich gern.«
Marie sah in dem hellen
Sonnenlicht ganz anders aus als in der Nacht. Der Glanz war in die saphirblauen
Augen zurückgekehrt, und die Stimme klang wieder wie Musik. Ich überlegte selbstzufrieden,
daß die todsichere Kombination von Profil und Technik, mit der Danny Boyd
begnadet ist, auch diesmal ihre Wirkung nicht verfehlt hatte.
»Hast du eine Ahnung, warum
mich Hurlingford mit der Suche nach Irene Mandell beauftragt hat?« fragte ich
sie.
Sie überlegte einen Augenblick
und schüttelte dann langsam den Kopf. »Nein, leider nicht.«
»Er muß einen verdammt
triftigen Grund dafür gehabt haben, denn die Geschichte mit der neuen
Zeitschrift war reine Erfindung. Es muß mit seinem Privatleben zu tun haben.
Kannst du dir irgend etwas vorstellen, was ihn mit Irene Mandell in Verbindung
bringt?«
»Ich war nur ein Jahr mit ihm
zusammen«, erwiderte Marie langsam. »Nach zwei Monaten hat er mir die Wohnung
eingerichtet. In seinem Haus bin ich nur ganz selten gewesen.«
»Wo ist das?«
»Auf Long Island. Er wohnt da
mit den Dienstboten ganz allein. Ab und zu gibt er eine Party, und die Gäste
bleiben meist gleich das Wochenende über dort. Außerdem liegt in der Nähe seine
Jacht.«
»Ja...« Es klingelte energisch
an der Tür. »Das wird Fran sein, entschuldige mich bitte.«
Ich öffnete, und Fran rauschte
herein, einen Koffer in der Hand und ein erwartungsvolles Glitzern in den
Augen. Ehe ich die Tür wieder zugemacht hatte, stand sie bereits am
Frühstückstisch und musterte Marie mit jener intensiven Aufmerksamkeit auch für
das winzigste Detail, die nur eine Frau einer anderen Frau gegenüber aufbringt.
»Fran«, sagte ich, als ich sie
eingeholt hatte, »darf ich dir Marie Soong vorstellen? Marie — dies ist Fran
Jordan, meine Sekretärin.«
»Das Kleid dürfte ein paar
Nummern zu groß sein«, sagte Fran kritisch, »aber zur Not wird’s gehen.«
»Sie sind sehr liebenswürdig«,
sagte Marie in einer weichen musikalischen Kadenz. »Danny, du hast mir aber
bisher verschwiegen, wie ungewöhnlich hübsch deine Sekretärin ist.«
»Es gibt in seinem Leben viele
Dinge, die er uns Frauen verheimlicht«, erwiderte Fran mit einem verstehenden
Lächeln. »Dürfte ich Ihnen eine Frage stellen? Nur eine einzige?«
»Jede, die Sie wollen«,
ermunterte sie Marie.
Fran zögerte den Bruchteil
einer Sekunde. »Der Pelzmantel und die Unterwäsche — ist das wahr?«
»Vollkommen.«
»Wie ist denn das passiert?«
Frans Augen funkelten begierig, während sie sich auf dem Stuhl niederließ, von
dem ich gerade aufgestanden war. »Das müssen Sie mir ganz genau erzählen. Aber
unterschlagen Sie mir nichts, ich muß das wissen.«
»Bevor ihr Mädchen es euch hier
gemütlich macht«, unterbrach ich sie schnell, »werde ich mich verabschieden.«
»Gut«, sagte Fran lebhaft. »Auf
Wiedersehen.«
Als ich die Wohnungstür von
draußen zuzog, hinterließ ich zwei Mädchen, tief versunken in die Art intimer,
weiblicher Unterhaltung, die einen Mann schon im Verlauf der ersten fünf
Minuten seiner sämtlichen Geheimnisse entblößt.
Eine halbe Stunde später stand
ich vor der Tür von Roger Lowells Wohnung in der Fifth Avenue und wartete, daß mir geöffnet würde. Jenny Shaw konnte mir diesen Dienst
nicht mehr erweisen.
Die Tür ging auf, und ich sah
in die kalten, berechnenden blauen Augen von Lorraine Lowell. Sie trug ein
weißes Hemd aus schwerem Satin und dazu schwarz-weiße Schottenhosen. Die
klotzigen goldenen Manschettenknöpfe
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