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Unsanft entschlafen

Unsanft entschlafen

Titel: Unsanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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finde?«
    »Tut mir leid, das kann ich
nicht.« Seine Stimme klang endgültig. »Jede weitere Unterhaltung wäre also pure
Zeitverschwendung, Boyd. Sie haben mich schon lange genug aufgehalten.«
    »Es freut mich, daß ich
wenigstens ein Stückchen von Ihrer Probe mitbekommen habe«, sagte ich höflich.
»Ich habe selten so gelacht.«
    »Es handelt sich bei dieser
Inszenierung um eine Neo-Tragödie«, stieß er hervor.
    »Das habe ich mir gleich
gedacht«, nickte ich freundlich. »Ich hätte es nur nicht so treffend
formulieren können.«
    Er wandte sich abrupt ab und
ging zur Bühne zurück. Da Jean Vertaine vermutlich länger zu tun hatte, strebte
ich dem Ausgang zu. Ich konnte sie ja noch später erreichen.
    Der schlanke Jüngling mit der
Hornbrille erwartete mich in dem winzigen Foyer. Im hellen Tageslicht sah ich,
daß er blasse blaue Augen hatte, die mich brennend anstarrten.
    »Ich wollte gern ein Wort mit
Ihnen reden, Mr. Boyd«, sagte er ausdruckslos. »Ich habe Ihre Unterhaltung mit
Mr. Williams angehört.«
    »Er scheint sich nicht
besonders viel aus Ihnen zu machen?« sagte ich.
    »Sie haben gesehen, wie er mich
abgefertigt hat — vor einem Fremden!« Sein Mund zuckte. »Dieser feige Hund! Ich
bin hier Regieassistent, aber er behandelt mich schlimmer als einen
Bühnenarbeiter. Die haben nämlich ihre Gewerkschaft hinter sich.«
    »Ja, das Leben ist hart«, sagte
ich ungeduldig. »Aber ich habe jetzt keine Zeit, mit Ihnen in Tränen
auszubrechen.«
    »Warten Sie.« Seine Hand
krallte sich mit erstaunlicher Kraft in meine Schulter. »Es ist wichtig, Mr.
Boyd. Ich habe gehört, daß Sie Privatdetektiv sind und nach Irene Mandell
suchen. Meine Schwester Jean war eng mit ihr befreundet. Sie könnte Ihnen
helfen.«
    »Ja und?«
    »Wollen Sie nicht heute abend zu ihr kommen? Sie hat immer sehr viel von
Irene gehalten. Würde Ihnen acht Uhr passen? Ich sorge dafür, daß Jean zu Hause
ist.«
    »Gut«, sagte ich. »Haben Sie
selbst Irene Mandell auch gekannt?«
    »Ich bin ihr nur wenige Male
begegnet.« In seiner Stimme schwang Bedauern mit.
    »Kannten Sie ihre persönliche
Garderobiere, Jenny Shaw?«
    »Nur flüchtig.«
    »Sie wissen nicht, wo sie jetzt
ist?«
    »Leider nein.«
    Er gab mir die Adresse seiner
Schwester, die ich zwar nicht brauchte, aber ich nahm sie, um ihn nicht zu enttäuschen.
    »Sie haben mir sehr geholfen,
Vertaine«, sagte ich.
    »Ich heiße Ian«, sagte er
errötend. »Es war mir ein Vergnügen, Mr. Boyd. Wenn ich noch irgend etwas für
Sie tun kann, lassen Sie es mich bitte wissen.«
    »Sind Sie immer so
entgegenkommend?« fragte ich. »Oder nur bei Privatdetektiven?«
    »Ich habe ein Gefühl, als ob
Williams gar nicht will, daß man Irene Mandell findet«, erwiderte er hämisch.
»Vielleicht hat er seine Gründe.«
    »Als da wären?«
    »Ich weiß nicht.« Er zuckte die
Schultern. »Ich hoffe, Sie kommen dahinter.«
     
     
     

3
     
    Roger Lowell war der vierte
Name auf der Liste. Er wohnte in der Fifth Avenue und
war zum Zeitpunkt von Irenes Verschwinden ihr ständiger Begleiter gewesen. Da
ich noch etwas Zeit übrig hatte, fuhr ich auf gut Glück zu der Adresse. Und
hatte tatsächlich Glück.
    Ein Mädchen mit weißem
Schürzchen öffnete mir die Tür.
    »Ist Mr. Lowell zu Hause?«
fragte ich.
    »Ja, Sir.« Sie lächelte
entgegenkommend. Wenn sie auch nicht unbedingt der Typ des französischen
Kammerkätzchens war, so hatte sie doch genügend Reize aufzuweisen, um unter
Umständen ein dauerhaftes Interesse ihres Dienstherrn zu rechtfertigen. »Wen
darf ich bitte melden?« fragte sie.
    »Mein Name ist Boyd«, erwiderte
ich. »Mr. Lowell kennt mich noch nicht.«
    »Würden Sie sich bitte einen Augenblick
gedulden, Mr. Boyd?« Damit schloß sie die Tür höflich lächelnd vor meiner Nase.
    Ich steckte mir eine Zigarette
an und überlegte gerade, ob ich noch einmal klingeln, die Tür einschlagen oder
mich in Geduld fassen sollte, als die Tür sich wieder öffnete und mich einer
Entscheidung enthob.
    »Mr. Lowell läßt bitten, Mr. Boyd.« Der Ton, in dem sie das sagte, verriet mir, daß
ich soeben in die privilegierte Klasse aufgenommen worden war. »Würden Sie
bitte nähertreten.«
    Sie führte mich durch eine
quadratische Diele, öffnete die Tür zum Wohnzimmer, meldete mit klarer Stimme:
»Mr. Boyd«, und verschwand.
    Lowell stand mit dem Rücken zur
Tür am Fenster und schien den Rasen im Central Park zu begutachten, ähnlich wie
ich das zuweilen von der westlichen Seite her zu tun

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