Unscheinbar
Lächeln freundlich.
Er biss tatsächlich an. „Gut. Ruf an, wenn ich dich abholen soll.“ Dann war er weg.
Nicht zu fassen.
„Himmel, der ist ja schräg.“
„Was Sie nicht sagen.“
„Und so etwas ist Ihr Freund? Liebchen, da haben Sie sich ein schönes Stück Arbeit aufgehalst.“
„Er ist nicht mehr mein Freund. Nur scheint er das nicht zu kapieren.“
„Haben Sie Ben darum benutzt, um diesen Joschua vor den Kopf zu stossen?“
Das sass. Erschöpft und schuldbewusst lehnte sich Emma an ihr Auto.
„Herzchen, es scheint in der kurzen Zeit, die Sie sich kennen, einiges zwischen Ihnen und Ben abgelaufen zu sein. Aber egal, was es war, ihn als persönlichen Racheakt zu missbrauchen ist nicht fair. Das hat er nicht verdient. Er ist ein guter Junge.“
Und ein Schürzenjäger. Aber das behielt Emma für sich.
„Darum dieser plötzliche Aufbruch?“
„Können Sie es ihm verdenken? Er ist leider nicht oberflächlich genug gestrickt, damit ihm solche Aussagen an seinem Allerwertesten vorbei gehen.“
„Und dann noch Joschuas Zweifel an Bens Können…“
„Oh, nein. Da steht er drüber. Kann er auch, denn er ist einer der Besten seines Fachs. Solche Besserwissertypen lässt er normalerweise einfach stehen. Aber ohne das Lappenwerfen und Türen knallen.“ Walter zwinkerte Emma wissend zu. Und ihr schlechtes Gewissen wuchs weiter. Aber auch die Neugierde.
„Ihr habt mein ganzes Auto durchgecheckt?“
„So ist es. Ben hat darauf bestanden, vor allem, weil er der letzte gewesen war, der daran rumgeschraubt hatte. Ich konnt’s ihm nicht abschlagen. Er wirkte so niedergeschlagen. Also haben wir uns mitten in der Nacht an die Arbeit gemacht. Dabei sah der Junge schon tierisch erschöpft aus, als ich Ihr kleines Auto auf dem Berg abholte.“
„Warten Sie. Ben blieb dort? Die ganze Zeit?“
„Die ganze Zeit. Er hätte zwar lieber im Krankenhaus gewartet, aber er wusste, dass Jens, also unser Polizist, noch einige Fragen haben würde. Und da ich Jens mitgenommen hatte, konnte das alles zusammen erledigt werden. Jens wird sich übrigens auch noch bei Ihnen melden.“
Emma nickte abwesend. Er hatte bei ihr Wache gehalten? Einfach so? Gut, er war Zeuge des Unfalls. Und fühlte sich offenbar ein Stück mitverantwortlich, weil er die letzte Reparatur durchgeführt hatte, aber dennoch. Sie war beeindruckt.
Apropos Reparatur. „Ben ist der Beste seines Fachs? Was macht er denn so?“
„Eigentlich Automechaniker. Seine Leidenschaft gilt aber den Oldtimern. Er restauriert und wartet sie wie kein anderer. Aber er kann Ihnen mehr darüber erzählen. Fragen Sie ihn doch einfach, wenn Sie sich bei ihm entschuldigen.“ Walters Gesicht verschwand und der Faltenhund zeigte sich.
Ja, der konnte gut lachen.
Aber Emma musste sich eingestehen, dass diese Entschuldigung notwendig war. Und zwar bald.
Strang 1 / Kapitel 14
Zum Glück war Walter der Faltenhund ein guter Mensch. Auf Emmas Nachfrage, wo Ben während seines Aufenthalts wohnte, hatte er ihr bereitwillig geantwortet. Als sie wissen wollte, ob der Weg zu Fuss machbar wäre, kam Walter ins Grübeln und beschloss schliesslich, dass es zwar machbar wäre, aber nicht jetzt, wo es eindunkelte und schon gar nicht für eine Verletzte. Also hatte Walter ihr kurzerhand eines seiner Autos geliehen. Von einer Bezahlung für diesen Dienst wollte er nichts wissen. Nur der Tank sollte voll sein, wenn sie den Ford zurückbrachte und sie möge ihn um Himmels Willen nicht gegen eine Wand fahren. Natürlich fand Walter diesen Spruch ungemein lustig.
Zugegeben, Emma hatte ebenfalls grinsen müssen. Inzwischen war ihr allerdings etwas mulmig zumute. Zum Einen, weil sie sich in diesem Flaggschiff von einem Auto unbehaglich fühlte, zum Anderen, weil ihr nicht wohl beim Gedanken war, wohin ihre Fahrt führte. Und das hatte nicht einmal mit Ben und ihrer Aufgabe zu tun.
Was konnte schlimmer sein, als zu einem Mann zu fahren, um ihrem dringenden Bedürfnis sich zu entschuldigen nachzugeben und das, obwohl sie ihn überhaupt nicht kannte? Genau. Sich seiner Mutter zu stellen.
Behutsam lenkte sie den Ford Ranger durch die Strassen, die angesichts der Fahrzeugdimension plötzlich unheimlich eng wirkten. Daran würde sie sich nie gewöhnen. Ihr Mini hätte dreimal in diesen Boliden gepasst. Zumindest war es ein Automat, was sich als ziemlich komfortabel herausstellte.
In der richtigen Strasse angekommen, rollte sie langsam vorwärts. Hausnummern gab es nur
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